Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
Vom Netzwerk:
Tschüs.»
    Widerwillig gehen sie fort, samt Thoma. Balki macht die Tür zu und wendet sich Ousep und Mariamma zu.
    Ousep versucht zu verstehen, was ihm da ins Haus gekommen ist. Balki ist groß, hat breite Schultern, und in seiner Gegenwart schrumpft die ganze Wohnung zusammen. Er hat einen großen Kopf und einen langen, kräftigen Hals, was viel ungewöhnlicher ist, als man meint. Seine Bewegungen sind schnell und frei von kultivierter Besonnenheit, und seine unkonzentrierten Augen glotzen respektlos, als hätten die Chackos Geld von ihm geborgt. Außerdem kaut er Kaugummi.
    Mariamma fasst nach der Hand des Jungen und erzählt ihm vom Vergehen der Zeit. Zu Ouseps Gunsten erzählt sie dann nuschelnd eine konfuse, jedoch schmeichelhafte Lebensgeschichte. Anscheinend war er schon immer ein Genie. Sie sagt, sie kenne Balki von Kindesbeinen an.
    «Wir sind uns schon mal begegnet», sagt Ousep. «Ganz kurz, vor langer Zeit.»
    «Vor drei Jahren», sagt der Junge.
    Mariamma berührt die Wangen des Jungen mit den Fingerspitzen.»Niemand besucht uns mehr, Balki», sagt sie. «Keiner von seinen Freunden kommt noch zu uns. Sie sind alle nach und nach weggeblieben. Bis dann, eines Tages, rate mal wer auftaucht.»
    «Wer denn?», fragt der Junge.
    Sie sehen sich verwirrt an. «Na, du natürlich», sagt sie.
    «Ach, so. Ich versteh diesen Sprachstil nicht so gut.»
    Sie befühlt wieder sein Gesicht. Balki ist das nicht peinlich, er beugt sich sogar ein bisschen vor, damit sie die Hände leichter über sein Gesicht wölben kann. «Berührungen machen mir jetzt nichts mehr aus», sagt er. «Als ich klein war, ließ ich mich nicht gerne anfassen und brüllte, wenn jemand es versuchte. Unni hat immer den Arm um mich gelegt, und das habe ich immer gehasst, bis ich verstand, dass es ein Zeichen der Freundschaft ist.» Er reicht ihr den Korb mit Gemüse. «Das hier hab ich Ihnen mitgebracht. Das Gemüse ist für Sie, ich habe es von zu Hause. Meine Mutter hat gesagt: ‹Nimm ein bisschen Gemüse für Unnis Mutter mit.› Ich habe zu ihr gesagt: ‹Ich muss Obst mitbringen.› Aber sie meinte: ‹Sei nicht so modern, Bala. Gib ihr das Gemüse, das wird sie glücklich machen.›»
    «Da hat sie recht», sagt Mariamma.
    «Meine Mutter hat mich gebeten, ihr den Korb zurückzubringen.»
    «Isst du mit uns, Balki? Ich kann dir schnell eine Kleinigkeit zurechtmachen.»
    «Ich kann nicht bei jemandem essen, der Fleisch kocht», sagt er auf seine klare, harmlose Art.
    «Oh, wir kochen hier doch gar kein Fleisch», erwidert sie bitter auflachend mit einem Blick in Ouseps Richtung. «Fleisch», sagt sie und schüttelt sich vor Lachen, das diesmal echt ist.
    «Wir schaden dem Fleisch nicht, mein Sohn, wenn wir es hierherbringen», sagt Ousep.
    Balki sieht ihn verständnislos an. «Ich hab nicht viel Zeit», sagt er, «ich muss sofort weiter, wenn ich mit Unnis Vater gesprochen habe.»
    «Ist es was Wichtiges?», fragt sie. «Sag, Balki, weißt du etwas über Unni?»
    Balki lässt seinen Blick öfter zu Unnis gerahmten Schwarz-Weiß-Foto an der Wand huschen und dann darauf ruhen.
    «Er sieht so jung aus», sagt er. «Wann ist das Bild aufgenommen worden?»
    «Ein paar Monate vor seinem Tod», sagt sie. «Es war ein Passbild, das wir haben vergrößern lassen. Deshalb sieht er ein bisschen blass darauf aus. Du weißt ja, dass mein Junge kein bisschen blass war.»
    «Er wirkt so jung, und er ist ja auch ganz jung gestorben. Aber ich hab ihn als Mann im Gedächtnis, als jemand, der so alt ist wie ich. In meiner Erinnerung wird er mit mir älter, doch auf dem Foto ist er ein Junge.»
    Er geht zu dem Foto, um Unni genauer zu sehen, der mit einem wissenden Lächeln zurückstarrt, als hätte er gewusst, dass dieser Augenblick kommt. Balki legt überraschend die Handflächen aneinander und schließt die Augen. Tiefe Stille breitet sich aus. Ousep nimmt die Gelegenheit wahr und zeigt auf die Saribluse seiner Frau, die unter den Achseln eingerissen ist. Mit einer heftigen Handbewegung bedeutet er ihr, ins andere Zimmer zu gehen. Doch sie steht nur aufsässig da und fängt sogar an, ihn nachzuäffen. Ousep überlegt, ob er seine Schlappen nach ihr werfen soll. Nach fast einer Minute macht Balki die Augen wieder auf.
    «Ich denke jeden Tag an Unni», sagt er.
    «Was möchtest du uns denn sagen, Balki?», fragt Mariamma.
    «Ich muss mit Unnis Vater reden. Ich muss ihn unter vier Augen sprechen.»
    Ousep geht mit ihm in sein Zimmer und macht ihr die Tür vor der

Weitere Kostenlose Bücher