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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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interessierten, sondern eine großartige Partie Schach spielten, war sehr friedvoll.» Somens Mutter tauchte kurz auf und brachte ihnen etwas zu essen, störte sie danach aber nicht mehr. Irgendwann beschlossen Somen undUnni, das Spiel zu beenden. Sie schrieben die Positionen der einzelnen Figuren in ein Büchlein, das bereits Notizen anderer, früherer Schachpartien enthielt.
    Sie gingen auf die Dachterrasse und redeten über dies und das.
    Über Lehrer, Kricket, gemeinsame Bekannte. «Nichts Tiefschürfendes.» Als es dunkel geworden war, lief Somen mit ausgebreiteten Armen auf der Brüstung entlang. Er rutschte aus und fiel fast vom Dach. Dann drehte er sich zu Unni um, und beide lachten wie über einen guten Witz. Später kam es oft vor, dass sie den Tod als etwas Lustiges betrachteten. Wenn sie auf der Straße einen Trauerzug sahen, einen Leichnam, der zur Verbrennungsstätte gebracht wurde, kicherten sie.
    Sai traf sie nun jeden Abend. Auf der Dachterrasse zeigten ihm Unni und Somen ein offenes Fenster in der Nachbarschaft, durch das man einen sehr alten Mann sah, der stundenlang versuchte, seine alte, eingeölte Frau zu beschlafen, die ihn schlug und trat, um sich vor dem sicheren Tod zu retten.
    Die drei Jungen machten lange Spaziergänge oder fuhren zusammen auf Somens Vespa, und dann bekam Sai die seltsamen Leute gezeigt, die Unni kannte – einen kleinen, energischen Mann, der bei der Canara-Bank arbeitete und seine außerordentlich schöne Frau jeden Morgen im Haus einschloss, wenn er zur Arbeit ging. Einen Architekten, der nach einer Kopfverletzung angefangen hatte, Blumen zu zeichnen, die es auf Erden nicht gab. Eine Frau mittleren Alters, die ein Wörterbuch genau auf der Seite aufschlagen konnte, die sie im Sinn hatte. Einen Wissenschaftler, der mit seinem Team Obdachlose in Madras erforschte, die das Verlangen hatten, den Verkehr zu regeln.
    Dann stellten Unni und Somen ihm die Nonne vor, die ein Schweigegelübde abgelegt hatte. Später nahmen sie ihn in einen Slum in Choolaimedu mit und zeigten ihm einen sehr altenMann mit wallendem silbernem Haar, der die engen, ungepflasterten Gassen entlangging, dabei im Stil Karnatischer Klassik vor sich hin summte und auf die Klumpen menschlicher Exkremente zeigte, die in kurzen, gleichmäßigen Abständen auf beiden Seiten der schmalen Wege lagen. Je nach Größe der Kackhaufen steigerte er die Lautstärke dramatisch oder wurde wieder leiser. Die Leute standen vor ihren Hütten und sahen, ohne böse zu werden oder belustigt zu sein, wie ihre eigene Kacke die Musik des umherziehenden Summers bestimmte.
    «Ich dachte, Unni und Somen versuchten, mir etwas mitzuteilen», sagte Sai. «Ich dachte, sie würden mir bald alles erklären.» Doch nichts dergleichen geschah, und Sai wurde mit jedem Tag ungeduldiger. Er fragte Unni dauernd: «Wann zeigst du mir endlich, wie man auf die nächsthöhere Ebene gelangt?» Unni gab ihm nie eine Antwort. Er lachte immer nur und hüllte sich in vielsagendes Schweigen. Doch Sai ließ nicht locker. Eines Tages fragte Unni ihn: «Was willst du von mir hören? Was genau willst du wissen?»
    «Was es mit allem auf sich hat, was das Geheimnis ist, was im Gange ist, warum es das Weltall gibt», sagte Sai, woraufhin Unni und Somen einen Lachanfall bekamen. Doch als Unni und Sai sich spät am Abend zusammen auf den Heimweg machten und die enge Gasse entlanggingen, flüsterte Unni: «Es ist gefährlich, Sai. Wir dürfen über solche Dinge nicht reden.»
    «Warum nicht?»
    «Weil es gefährlich ist.»
    «Warum ist es gefährlich?»
    Unni sagte eine Weile gar nichts. Er sprach erst, als sie am Ende des Gässchens waren: «Somen versucht, sich ein bisschen
Mycobacterium leprae
zu beschaffen. Weißt du, was das ist?»
    «Nein.»
    «Das ist das Bakterium, das Lepra hervorruft. Somen will einAussätziger werden und ohne Finger und Zehen am Straßenrand sitzen und einen sehr schmerzhaften Tod sterben. Um zu überleben, will er betteln, er will sein Ego völlig auslöschen, er will auf der Straße kriechen, Sai. Wie kommt ein Junge auf so eine Idee? Weil das Ego uns am Sehen hindert. Was du sehen willst, was wir alle sehen wollen, ist sehr schwer zu erreichen. Das ist der Haken an diesem Weg, Sai. Der Weg, den wir suchen, führt nicht durch die schöne Gebirgswelt des Himalaja und beschert uns auch keinen tantrischen Sex. Er führt durch unvorstellbaren Schmerz und schreckliches Elend. Hast du dich gefragt, warum ich Somen so oft treffe? Weil ich

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