Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
Königin würdig sind, wollte ich vor Eure Meisterin treten. Ich wollte vor ihr das Knie beugen und sie demütig darum bitten, mir den Gefallen zu tun, mit mir in mein Königreich zu reisen. Ein überaus großer Gefallen, denn ich wollte dadurch den Drachen loswerden, der so viel Elend und Verwüstungen angerichtet hat. Aber nichts ist nach Plan verlaufen, und das ist allein meine Schuld. Ich wusste, dass ich nicht auf diese Weise heimlich herumschleichen sollte. Kein Wunder, dass Ihr mich für einen Mörder halten musstet.«
Drakonas trat neben ihn und zupfte ihn am Ärmel. »Majestät, dieses Horn kam ganz aus der Nähe. Wir haben für so etwas jetzt keine Zeit.«
»Doch, die haben wir«, entgegnete Edward scharf. Ohne Melisande aus den Augen zu lassen, holte er tief Luft. »Ich brauche Euch, das kann ich nicht verhehlen. Ich bin für das Leben meines Volkes verantwortlich. Vor Gott habe ich gelobt, es mit meinem Leben zu verteidigen, mich zwischen die Gefahr und mein Volk zu stellen. Doch gegen diesen Drachen bin ich hilflos. Ihr habt gelernt, Drachen durch Magie zu bekämpfen. Kommt mit in mein Reich. Rettet mein Volk mit Eurer Magie. Das könnte ich Euch niemals vergelten, doch ich würde mich den Rest meines Lebens darum bemühen.«
»Und was wird aus meinem Volk?«, gab Melisande zurück. »Ich kann doch nicht alle im Stich lassen, nachdem ich nun die Wahrheit weiß.«
»Ihr könnt später nach Seth zurückkehren«, gelobte Edward. »Ich selbst werde Euch begleiten. Wir kommen mit einer ganzen Armee, und Ihr reitet an der Spitze.«
Obwohl seine Worte offenbar großen Eindruck auf Melisande machten, zögerte sie noch. Vielleicht traute sie ihm noch immer nicht. Wieder erklang das Horn, diesmal aus größerer Nähe. Verzweifelt blickte sie in die Richtung, aus der es ertönte.
»Und wenn ich Euch nicht begleiten möchte?«
»Dann bleibe ich bei Euch, bis die Kriegerinnen uns finden. Ich bleibe und sage ihnen die Wahrheit über den Drachen.«
Melisande schüttelte den Kopf. »Sie werden Euch nicht glauben.«
»Dann müssen sie mir das Leben nehmen«, versicherte Edward stolz, »denn es ist alles meine Schuld. Aber ich werde sie bitten, Euch zu verschonen, denn Ihr seid unschuldig.«
Sie musterte ihn eindringlich, denn sie versuchte, in sein Herz oder gar in seine Seele zu blicken. Er hielt ihrem Blick zuversichtlich stand, denn er wusste, dass er sein Versprechen halten würde, wenn sie es so wollte.
»Ich glaube, das würdet Ihr tatsächlich tun«, meinte sie schließlich. »Warum? Ihr kennt mich doch gar nicht.«
»Weil ich Euch in diese Lage gebracht habe«, antwortete Edward schlicht. »Es ist meine Pflicht, und die nehme ich ernst.«
Ihre Wangen erröteten ein wenig, und bei ihrem raschen Luftholen hob sich ihre Brust. Die gefassten Hände zitterten. Edward erkannte Bewunderung in ihren Augen und dazu eine warme Zärtlichkeit, die sein Blut in Wallung brachte. Seine Fingerspitzen prickelten, und sein Herz schwoll so sehr an, dass ihm ganz flau wurde.
»Wollt Ihr mich begleiten, Melisande?«, fragte er. »Oder werden wir bleiben und gemeinsam dem Tod ins Auge sehen?«
Melisande schaute zum Strom hin, wo das unheimliche Echo des Hornsignals noch in der Luft zu schweben schien. Dann senkte sie den Kopf, um sich ihrem sich überstürzenden Schicksal zu ergeben.
»Ich begleite Euch.«
»Ihr seid sehr überzeugend«, bemerkte Drakonas, während er mit dem König die Böschung hinuntereilte. »Kein Wunder, dass Euer Volk Euch verehrt.«
»Ich habe jedes Wort so gemeint, wie ich es sagte«, gab Edward kalt zurück. »Und nun sprecht bitte leiser.«
Er blickte zu Melisande, die ihnen langsamer folgte. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und nachdenklich den Kopf gesenkt.
»Was glaubt Ihr, wie nah die Soldatinnen sind?«, wechselte Edward übergangslos das Thema. Er war immer noch wütend auf Drakonas, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt für einen handfesten Streit.
Drakonas warf ihm einen kurzen Blick zu. Beinahe hätte er gelächelt. »So nahe, dass wir nicht herumtrödeln sollten. Helft mir, die Boote zu Wasser zu bringen.«
»Wir brauchen doch nicht zwei«, protestierte Edward mit einem Blick auf die Kähne. »Da passen mindestens acht Leute hinein. Eines ist für uns und unser Gepäck mehr als ausreichend.«
»Stimmt«, räumte Drakonas ein, »aber ich will dieser Kommandantin kein Boot hier lassen, mit dem sie uns weiter folgen kann.«
Gemeinsam zogen sie die Plane ab,
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