Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Schrammen auf seinen Armen und seiner Brust.
»Ich habe dich verletzt«, rief sie voller Reue. »Das wollte ich nicht! Ich wollte nur ihm wehtun.«
»Ich weiß«, tröstete Markus das Mädchen. »Ich weiß. Komm jetzt. Wir müssen gehen, bevor Grald uns findet.«
Evelina hörte ihn nicht.
»Evelina«, drängte Markus sanft.
»Es ist hoffnungslos«, sagte sie, während sie zusah, wie Nems Blut aus dessen Körper lief. »Wir können nicht weg. Es gibt keinen Weg aus dieser entsetzlichen Stadt.«
»Ich kenne jemanden, der uns helfen kann«, versicherte Markus. »Schnell.« Er wollte sie zur Tür ziehen.
Noch immer rührte Evelina sich nicht von der Stelle.
»Ist er tot?«, fragte sie. »Habe ich ihn getötet?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Markus. »Ich glaube, ja.«
»Ich hoffe es!«, rief sie inbrünstig. »Ich hoffe es!«
Da loderte knisternd und gleißend hell ein furchtbares Licht auf. Das Licht des Himmels!
Die Explosion schlug wie ein Hammer auf das Haus ein und riss die Tür auf. Alles versank in Dunkelheit und Schmerz.
Keuchend und hustend kam Markus zu sich. Er hatte Kopfschmerzen und konnte kaum klar denken. Seine Hand wanderte zum Kopf und ertastete dort eine Beule, die rasch dicker wurde. Blut tröpfelte ihm in die Augen. Er wischte es weg und blinzelte durch die Staubwolke. Warum war plötzlich alles dunkel? Einen Moment lang geriet er in Panik. War er blind? Doch als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, konnte er wieder etwas erkennen. Er stellte fest, dass das Licht nicht hereinfiel, weil die Fenster von Geröll verschüttet waren. Der Raum war von Schutt, geborstenen Balken und Steinen angefüllt. Durch einzelne Löcher in dem Geröllhaufen drangen ein paar staubige Sonnenstrahlen, die auf ein Bild der Verwüstung fielen.
»Evelina!« Markus erinnerte sich erschrocken. Das Mädchen lag neben ihm. Sie war voller Staub und starrte ihn mit großen Augen an. »Bist du verletzt?«
»Was war denn das?« Sie begann zu husten.
»Ich weiß es nicht.« Markus setzte sich auf. Ihm wurde kurz schwindelig vor Kopfschmerzen. Als er still sitzen blieb, verging die Übelkeit. »Beweg dich nicht«, warnte er sie.
»Es geht mir gut.« Sie streckte die Hände aus, und er half ihr, sich hinzusetzen.
Dicht beieinander kauerten sie auf dem Boden und sahen sich erschüttert um.
»Die Tür«, bemerkte Evelina fassungslos. »Sie ist weg.«
Die Tür war nach innen aufgeflogen und lag jetzt teilweise unter Trümmern begraben.
»Bleib hier«, sagte Markus. Er suchte sich einen Weg durch den Schutt, kletterte auf die Steine und spähte auf die Straße hinaus. Wo zuvor Häuser gestanden hatten, sah man jetzt nur noch Trümmer liegen, in denen sich nichts regte.
Der aufgewirbelte Staub ließ die Luft grau erscheinen. Alles schwieg.
»Drakonas!« Markus betrat seinen kleinen Raum, hielt die Tür offen, starrte in die Farben hinaus und wartete auf eine Antwort.
»Drakonas!«, rief er wieder.
Drakonas' Farben waren verschwunden. Seine Stimme war nicht zu hören.
Es war der Drache, der Markus fand. Seine Klauen griffen nach ihm.
Markus' erster Gedanke war die Flucht. Doch er bekämpfte diesen Impuls und blieb, wo er war. Als der Drache ihn packen wollte, schlüpfte er um die Pranke herum direkt in dessen Gedankenwelt. Das war riskant, aber Markus musste einfach mehr erfahren. Die Farben des Drachen waren rot gerändert und rauchgrau, eine Mischung aus lodernder Wut und Zweifel. Der Drache wusste nicht, was geschehen war. Was es auch war, es hätte nicht geschehen dürfen.
Hastig duckte Markus sich zurück, schlug die Tür zu seiner Kammer zu und warf sich dagegen. Draußen wütete der Drache, konnte jedoch keinen Zugang entdecken.
Sein Zugang war Nem gewesen, doch der war tot.
Markus kniete sich neben seinen Bruder. Die blauen Schuppen auf den Tierbeinen waren von weißem Staub und dunklem Blut überzogen. Der Prinz suchte nach einem Pulsschlag, doch seine Hände zitterten so sehr, dass er sich nicht sicher war, ob Nems Herz noch schlug oder nicht. Sein Bruder schien tot zu sein, denn die Haut war aschfahl und die Lippen grau. Markus durfte jetzt nicht über Nem oder Drakonas nachdenken. Dazu war später noch Zeit. Vorläufig ging es darum, dass die Lebenden am Leben blieben.
»Und?«, fragte Evelina, die ihn hoffnungsvoll beobachtet hatte. »Kommen wir da raus?«
»Auf dem Weg nicht«, gab Markus zurück.
»Aber das ist der einzige Weg!«, jammerte sie. Ihre Hände zupften nervös an
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