Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Straßen zog und sich vorstellte, ganz für sich zu sein. Der Gauner lungerte auch im Umkreis des Zeltes herum. Am ersten Tag registrierte er sehr genau, wie der Handel sich anließ, und freute sich über Bellonas Erfolg. An diesem Schatz wollte er teilhaben.
Zwei Tage war er mit gewissen anderen Angelegenheiten beschäftigt. Nachdem diese gut verlaufen waren, fand er, es sei an der Zeit, sich wieder den Barbaren zuzuwenden. Der leere Karren machte ihm den Mund wässrig. Den ganzen Nachmittag beschattete er das Zelt, und als es dämmerte, wurde er zu seiner Freude Zeuge, wie Bellona Nem die Tageseinnahmen anvertraute.
Der junge Bursche steckte die Münzen in einen schon zu diesem Zeitpunkt gut gefüllten Lederbeutel. Um sich vor Taschendieben zu schützen, band er die Börse unter seinem Lederwams um den Bauch.
Bellona wollte früh schlafen gehen, weil sie bei Sonnenaufgang abreisen wollten. So ging sie ins Zelt, und Nem wollte ihr folgen.
Ramone knirschte mit den Zähnen.
»Nein, Herzchen, nein«, knurrte er in sich hinein. »Es ist noch zu früh. Du liegst bloß wach und starrst in die Dunkelheit. Komm her und amüsier dich mit Ramone.«
Fast als hätte er den Mann gehört, blieb Nem an der Zeltklappe stehen und sah sich noch einmal um. Die Luft war von schallendem Gelächter erfüllt.
»Braver Junge!«, flüsterte Ramone. »Sie haben Spaß da unten, Herzchen. Wir zwei könnten auch unseren Spaß haben.«
Nem zögerte noch einen Moment. Dann rief Bellona. Er wendete sich wieder dem Zelt zu. Ramone hatte den sehnsüchtigen Blick von Nem beim Klang des Gelächters registriert. Er hatte auch gesehen, wie der junge Mann drei Tage lang ziellos allein durch die Straßen gestreift war.
Jetzt trat er vor. »Du heißt Nem, nicht wahr?«, sprach er ihn freundlich an. »Geh noch nicht schlafen. Ich möchte bei dir etwas kaufen.«
Der junge Mann sah den Fremden abschätzig an. »Es ist schon spät, mein Herr. Was wünscht Ihr?«
»Einen deiner guten Bögen«, antwortete Ramone, der jetzt vor Nem hintrat. »Ich nehme morgen am Turnier teil, wenn der König zusieht – Gott schütze und erhalte ihn. Mit einem Bogen von dir gewinne ich auf jeden Fall.«
Nem warf einen Blick auf Ramones schmale Brust und seine dünnen Arme. Bogenschützen waren kräftige, breit gebaute Männer. Er wollte sich abwenden.
Ramone lachte. »Ich weiß, was du denkst. Vielleicht sehe ich nicht aus wie ein Schütze«, er spannte den Armmuskel, »aber ich bin sehr drahtig.«
Nem schüttelte den Kopf. »Ich habe alle Bögen längst verkauft.«
»Ach, wie schade«, seufzte Ramone. »Ich habe heute nämlich gesehen, wie ein Mann mit einem deiner ausgezeichneten Bögen den Wettkampf zu Ehren der Königin gewonnen hat. Er schrieb seinen Sieg dir zu. ›Nem heißt er‹, sagte er, ›hat sein Zelt da oben auf dem Berg.‹ Dann zeigte er in diese Richtung. Vormittags hattest du sicher viel zu tun, deshalb habe ich bis jetzt gewartet. Tja«, er seufzte wieder. »Dann komme ich wohl zu spät.«
Nem schaute sich um. »Jemand hat mit einem meiner Bögen den Wettkampf gewonnen?«
»Ja, wirklich. War ein spannender Kampf. Nie habe ich einen besseren gesehen!«
»Erzählt mir davon!«, verlangte Nem.
Ramone senkte die Stimme. »Nur zu gern, aber ich fürchte, wir wecken deinen Vater, wenn wir hier reden. Komm, gehen wir eine Runde. Wenn ich schon nicht den gewünschten Bogen bekomme, könnte ich dir doch wenigstens ehrenhalber ein Bier ausgeben.« Verschwörerisch fügte er hinzu: »Die Alten können ja ruhig mit den Hühnern ins Bett gehen. Aber für uns Jüngere fängt die Nacht erst an.«
Nem blickte noch einmal zum Zelt zurück. Viele Nächte hatte er in der erstickenden Wärme wach gelegen, Bellonas Murmeln zugehört und dabei an die Freudenmädchen gedacht, die mit bloßen Brüsten und geschürzten Röcken an der Wand standen, während schwitzende, grunzende Männer sie bearbeiteten.
Bier hatte er noch nie probiert. Sein Bogen hatte das Turnier gewonnen, und er wollte mehr darüber hören – natürlich ohne Bellona zu wecken.
»Ich komme«, versprach er, fügte jedoch hinzu: »Ich hole nur noch mein Schwert.«
Eigentlich wollte Ramone erwidern, dass sie ins Wirtshaus zögen, nicht in die Schlacht. Doch dann stellte er fest, dass das Schwert des Burschen zwar schlicht, aber von guter Qualität war.
Lächelnd strich sich Ramone über den Schnurrbart.
Die Stadt Rhun war schon lange über die schützende Stadtmauer hinausgewachsen. So war sie
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