Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
aus ihrem streng bewachten Raum geholt und in König Edwards Arbeitszimmer geführt. Vier Wachen eskortierten die Gefangene, der man die Hände gefesselt hatte. Die Anklage lautete auf Mord.
Evelina trat mit hoch erhobenem Haupt vor den König, das Kinn gestrafft, obwohl ihre Träume in Scherben lagen. Vor einer Woche war sie auf einer blutigen Matratze erwacht – der Beweis, dass sie nicht schwanger war. Sie hatte zwar versucht, diese Tatsache vor Axtgesicht zu verbergen (die zu Evelinas großem Verdruss zurückgekehrt war), aber das war unmöglich gewesen.
Danach war alles schiefgegangen. Evelina hatte den Kelch, den sie Lady lsabel gereicht hatte, an sich nehmen und reinigen wollen, ehe jemand ihn untersuchen konnte. Aber die unerwartete Wende der Ereignisse an jenem Tag hatte sie so erschüttert, dass der Kelch ihr erst wieder einfiel, als es schon viel zu spät war. Sie hatte noch danach gesucht, aber er war verschwunden.
Einer der Ritter der Königin hatte den Kelch geistesgegenwärtig aufgehoben und in einer Kiste in seinem Zimmer sichergestellt. Später hatte er ihn dem König ausgehändigt, der ihn seinem Leibarzt übergab. Dieser führte verschiedene Untersuchungen durch und kam zur festen Überzeugung, dass der Wein vergiftet worden war. Nun drohte Evelina ernsthaft der Tod durch den Strang.
Dennoch hielt sie den Kopf hoch erhoben, als sie dem Plädoyer des Anklägers lauschte, der dem König die Beweise schilderte.
»Majestät, Ihr habt drei Zeugen gehört, die unter Eid aussagen, dass sie gesehen haben, wie Fräulein Evelina den Wein aus ihrem Krug in drei Kelche gab. Den einen reichte sie Ihrer Majestät, einen behielt sie für sich und einen reichte sie Lady lsabel«, stellte der Ankläger mit kalter, strenger Stimme fest.
»Diese Männer schwören, dass niemand außer Fräulein Evelina die Kelche berührt hat. Ihr habt die Aussage der Kräuterfrau, die Fräulein Evelina wiedererkannt hat. Sie hat das Gift wenige Tage vor dem Mord erworben und mit diesem Ring hier«, er hielt einen Rubinring hoch, »bezahlt. Der Ring wurde identifiziert. Er gehört einer Hofdame Ihrer Majestät. Außerdem haben wir im Zimmer der jungen Frau verschiedene andere Wertsachen entdeckt, die verloren gegangen waren.«
Evelina blieb trotzig. Auf ihren Lippen malte sich leichte Verachtung. Ihre Haltung schien König Edward zu ärgern. Seine Miene verhärtete sich.
Der Ankläger hielt einen weiteren Gegenstand hoch.
»Darüber hinaus haben wir eine halb volle Phiole mit Gift unter ihrer Matratze entdeckt.«
Das war dumm gewesen, gestand sich Evelina ein. Sie hätte das Gift wegschütten sollen. Aber die Vorstellung, es Axtgesicht einzuflößen, war zu reizvoll gewesen. Der Ankläger redete immer noch. Evelina unterdrückte ein Gähnen.
Nun wurde Gunderson in den Zeugenstand gerufen.
Der alte Seneschall humpelte nach vorne.
»Meister Gunderson, erzählt uns, was Ihr über Fräulein Evelinas Vergangenheit herausgefunden habt.«
»Sie ist die Tochter eines kleinen Taschendiebs, Ramone, der zuletzt gesehen wurde, als er in Begleitung einer heruntergekommenen Schaustellertruppe unter der Leitung des Gauners Federfuß die Stadt Schönfeld verließ. Die Truppe und der Vater der jungen Dame sind seitdem verschwunden.«
Evelina biss die Zähne zusammen und rührte sich nicht.
Gunderson seufzte. Er rieb sich das Kinn. »Es besteht kein Zweifel, Majestät, dass des Prinzen … äh … Halbbruder die Wahrheit über dieses Mädchen kannte und wusste, wie sie nach Drachenburg gekommen war. Aber Nem hat sich geweigert, meine Fragen zu beantworten. Er erklärte mir nur, dass ihr Schicksal seine Schuld sei. Er wollte nichts sagen, was gegen sie verwendet werden könnte.«
Evelina tappte ungeduldig mit dem Fuß, denn sie wartete darauf, endlich zu Wort zu kommen.
Der Seneschall verbeugte sich und ging wieder an seinen Platz.
Der Ankläger fuhr fort: »Was das Motiv angeht, so war Fräulein Evelinas Eifersucht auf Lady lsabel, die Verlobte von Prinz Markus, bekannt. Das haben das Dienstmädchen und die Köchin bezeugt.« Er verbeugte sich und zog sich zurück.
»Fräulein Evelina«, sagte König Edward streng, »wenn diese Mordanklage sich als stichhaltig erweist, werdet Ihr gehängt. Wir finden die Beweislage erdrückend. Habt Ihr etwas zu Eurer Verteidigung vorzubringen?«
»Das habe ich, Majestät«, sagte Evelina. »Ich habe Lady lsabel nicht vergiftet.«
Ehe der König reagieren konnte, fuhr sie mit kühler Stimme fort:
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