Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
veränderte sich. Der Politiker war wieder da.
»Warum diese Heimlichtuerei?«
»Weil ich einen Job zu machen habe, Troels. Und du auch. Komplikationen können wir jetzt nicht gebrauchen.« Ihre Stimme eine Spur tiefer. Die klugen Augen blitzend. »Und wir wollen doch Morten nicht eifersüchtig machen.«
»Morten ist der erfahrenste politische Berater, den wir haben. Der weiß schon, was er tut.«
»Und ich nicht?«
»Das hab ich nicht gesagt. Aber ich möchte jetzt nicht über Morten sprechen …«
Ihre Hände wieder an seinem Jackett.
»Darum kümmern wir uns, wenn du die Wahl gewonnen hast, ja?«
Hartmann umfasste sie von neuem.
Die Tür ging auf. Rektorin Koch schaute herein. Sie schien peinlich berührt.
»Der Oberbürgermeister ist da«, sagte sie. Ein komplizenhaftes Lächeln. »Wenn Sie dann so weit wären …«
Hartmann knöpfte sein Jackett zu und ging hinaus.
Poul Bremer saß breit lächelnd unter dem Poster einer halbnackten Popsängerin. Skovgaard ließ die beiden allein und begann den Raum zu inspizieren.
»Der Zentrumspartei gefallen deine Ideen hoffentlich, Troels. Und viele sind ja auch gut. Wie die von deinem Vater.«
»Ach ja?«
»Sie haben dieselbe Kraft, dieselbe Energie. Denselben Optimismus.«
»Er hatte Überzeugungen«, sagte Hartmann. »Er hat das vertreten, woran er geglaubt hat. Nicht das, was ihm vielleicht ein paar Stimmen gebracht hätte.«
Bremer nickte.
»Zu schade, dass er’s nicht geschafft hat, es durchzusetzen.«
»Na, ich werde an ihn denken. Wenn ich deinen Job habe.«
»Den kriegst du auch. Irgendwann.« Bremer zog ein Taschentuch hervor und putzte seine Brille. »Du bist robuster als er. Dein Vater war irgendwie … Wie soll ich sagen?« Die Brille kehrte an ihren Platz zurück, und die kalten Augen musterten Hartmann von oben bis unten. »Zerbrechlich. Wie Porzellan.«
Bremer hob die rechte Hand. Eine große Faust. Die Faust eines Kämpfers, allem Anschein zum Trotz.
»Er konnte jederzeit zerbrechen.«
Er schnippte mit den kräftigen Fingern, so laut, dass es von den abblätternden Wänden widerzuhallen schien.
»Hätte ich ihn nicht zerbrochen, hätte er es selbst getan. Glaub mir. Im Grunde hab ich ihm einen Gefallen getan. Man sollte nicht zu lange seinen Illusionen nachhängen.«
»Wir müssen zu dem Duell«, sagte Hartmann. »Es wird Zeit …«
Als sie sich zum Gehen wandten, kam ihnen Rektorin Koch entgegen. Sie wirkte besorgt. Eine Frau war bei ihr, in einer blauen Regenjacke, unter der ein merkwürdiger schwarz-weiß gemusterter Pullover hervorsah. Das Haar zurückgekämmt, ein Gesicht wie eine Jugendliche, die keine Zeit hat, an Jungs zu denken. Eine Frau, die nichts auf ihr Äußeres gab. Seltsamerweise, denn sie war erstaunlich attraktiv. Sie sah nach vorn, auf die beiden Männer, nirgendwohin sonst. Sie hatte sehr große Augen, einen starren Blick. Aus irgendeinem Grund war Hartmann nicht überrascht, als sie einen Polizeiausweis zückte. Vicekriminalkommissær Sarah Lund stand darauf. Bremer war stehengeblieben, als er sie näher kommen sah.
»Sie müssen das Duell abblasen«, sagte Lund.
»Abblasen? Wieso?«
»Ein Mädchen wird vermisst. Ich muss mit Leuten hier sprechen. Mitschülern. Lehrern. Ich muss …«
Rektorin Koch führte sie in einen Nebenraum, weg aus dem Flur. Bremer blieb, wo er war. Hartmann hörte sich an, was die Polizistin zu sagen hatte.
»Ich soll das Duell abblasen, weil eine Schülerin blaumacht?«
»Es ist wichtig, dass ich mit allen spreche«, beharrte Lund.
»Mit allen?«
»Mit allen, mit denen ich sprechen möchte.«
Sie stand reglos da. Sah ihn unverwandt an. Nichts sonst.
»Wir könnten das Duell um eine Stunde verschieben«, schlug Hartmann vor.
»Ausgeschlossen«, schaltete sich Bremer ein, der ihnen gefolgt war. »Ich hab Anschlusstermine. Es war deine Einladung, Troels. Wenn du’s nicht schaffst …«
Hartmann trat einen Schritt auf Lund zu und fragte: »Wie ernst ist es?«
»Wir hoffen, dass nichts weiter passiert ist.«
»Ich hab gefragt, wie ernst es ist.«
»Das versuchen wir gerade herauszufinden.« Lund stemmte die Hände in die Hüften und wartete auf eine Antwort. »Also …«
Sie sah sich prüfend um.
»Also sind wir uns einig«, sagte sie.
Bremer holte sein Handy hervor, las die Nachrichten.
»Ruf meine Sekretärin an. Ich versuch dich irgendwo dazwischenzuschieben. Ach, übrigens!« Plötzlich ganz leutselig. »Ich habe gute Nachrichten für deine Schulen in der Innenstadt.
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