Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Wort, bis ich’s sage.«
»Sie telefoniert rum und fragt nach dir.«
Ein Gerüst stand an dem Haus, die verrottenden Fenster waren verhängt. Birk Larsen bezahlte seine Leute dafür, dass sie neue Dielen, Regenrinnen und Rohrleitungen heranschafften, und hatte ihnen das Versprechen abgenommen, den Mund zu halten, wenn Pernille in der Nähe war.
»Die Jungs kriegen jeder ein eigenes Zimmer«, sagte er und betrachtete das graue Haus. »Und siehst du das Fenster da ganz oben?«
Skærbæk nickte.
»Da zieht Nanna ein. Sie bekommt das ganze Dachgeschoss, mit eigenem Eingang und so. Pernille kriegt eine neue Küche. Und ich …« Er lachte. »… ein bisschen Ruhe und Frieden.«
»Das kostet doch ein Vermögen, Theis.«
Birk Larsen schob die Hände in die Taschen seiner roten Latzhose.
»Das schaff ich schon.«
»Vielleicht kann ich helfen.«
»Und wie?«
Skærbæk war ein schmächtiger, nervöser Mann. Er trat von einem Fuß auf den anderen, noch unruhiger als sonst.
»Ich hab da dreißig Fernseher an der Hand, fabrikneu, vom Feinsten. Wir müssen nur …«
»Hast du Schulden? Ist es das?«
»Hör mal. Die sind schon zur Hälfte verkauft … Wir können halbe-halbe machen …«
Birk Larsen holte ein Banknotenbündel aus der Tasche und zog ein paar Scheine heraus.
»Wir müssen nur einen Gabelstapler ausleihen …«
»Hier.« Er faltete die Scheine zusammen und drückte sie Skærbæk in die Hand. »Vergiss die Fernseher. Wir sind keine Teenager mehr, Vagn. Ich habe Familie. Eine Firma.« Skærbæk behielt das Geld in der Hand. »Zu beiden gehörst du dazu. Und das bleibt auch so.«
Skærbæk schaute auf die Scheine. Wenn er nur irgendwann einmal diese idiotische silberne Halskette verlieren würde, dachte Birk Larsen.
»Was meinst du, wie das für die Jungs wäre, wenn sie ihren Onkel Vagn im Knast besuchen müssten?«
»Das brauchst du nicht, wirklich …«, begann Skærbæk.
Doch Theis Birk Larsen hörte nicht mehr zu. Pernille kam auf dem Christiania-Rad angefahren, in einem Tempo, dass die glänzende rote Box auf und ab hüpfte. Er vergaß das geheime Haus, die Bauarbeiten und die Frage, woher das Geld dafür kommen sollte. Sie sah furchtbar aus. Pernille stieg ab, trat zu ihm und packte ihn am Revers seiner schwarzen Lederjacke.
»Nanna ist verschwunden.« Sie war außer Atem, blass, voller Angst. »Die Polizei hat deinen Videothekausweis gefunden, nicht weit vom Flughafen. Und auch …« Sie hob die Hand an den Mund. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Was?«
»Ihr Top. Das rosarote, geblümte.«
»Mit solchen Tops laufen doch viele herum. Oder?«
Sie sah ihn scharf an.
»Und der Videothekausweis?«
»Haben sie schon mit Lisa gesprochen?«
Vagn Skærbæk hörte zu. Sie sah ihn an und sagte: »Bitte, Vagn.«
»Braucht ihr Hilfe?«
Ein Blick von Birk Larsen, und er ging davon.
»Was ist mit diesem Schwachkopf?«
»Nanna ist nicht mehr mit Oliver zusammen.«
Zornesröte war ihm in die Wangen gestiegen.
»Haben sie mit ihm gesprochen?«
Ein tiefer Atemzug, dann sagte sie: »Das weiß ich nicht.«
Er holte die Autoschlüssel hervor und rief Skærbæk zu: »Bring du Pernille nach Hause. Und das Dreirad.«
Ein Gedanke.
»Warum bist du nicht mit dem Wagen gekommen?«
»Die haben mich nicht gelassen. Ich bin nicht in der Verfassung, haben sie gesagt.«
Theis Birk Larsen legte die mächtigen Arme um seine Frau, hielt sie fest, küsste sie, berührte ihre Wange, sah ihr in die Augen. »Nanna ist nichts passiert«, sagte er. »Ich geh sie suchen. Fahr nach Hause und warte dort auf uns.«
Er stieg in den Van und fuhr los.
»Ich setz dich bei Oma ab. Den Schlüssel hast du, ja?«
Der Himmel hatte sich zugezogen, und der Tag endete in Nebel und Nieselregen. Lund fuhr nach Østerbro hinaus, auf dem Beifahrersitz ihr zwölfjähriger Sohn Mark.
»Soll das heißen, wir ziehen doch nicht nach Schweden?«
»Doch, ich muss nur noch was erledigen.«
»Ich auch.«
Lund schaute ihn an. Doch im Kopf sah sie nur das plattgedrückte gelbe Gras, das blutverschmierte Top eines jungen Mädchens. Und das Foto von Nanna Birk Larsen, lächelnd, die ältere Schwester, stolz auf ihre kleinen Brüder. Zu erwachsen wirkend mit dem starken Make-up. Sie hatte keine Ahnung, wovon Mark redete.
»Das hab ich dir doch gesagt, Mama. Der Geburtstag von Magnus.«
»Mark, wir fliegen heute Abend. Das ist längst beschlossen.«
Er stöhnte genervt und schaute aus dem regengestreiften Fenster.
»Siehst aus wie
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