Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Pernille tat ihr Bestes. Wieder klingelte das Telefon. Lotte nahm ab.
»Erledige als Erstes den Auftrag in Østerbro«, sagte Pernille zu dem Mann. »Mach es so, wie Theis es machen würde. Frag Vagn.«
Er sah sie an.
»Wo ist Vagn?«, fragte sie.
»Keine Ahnung.«
»Mach …« Sie winkte ab. »Mach’s einfach so, wie du denkst. Tut mir leid …«
»Pernille?«
Lotte hatte gewartet, bis der Mann gegangen war.
»Ja?«
»Die Bank hat angerufen. Die wollen mit dir reden.«
Buchard hatte sein bestes Hemd an, frisch gebügelt. Seinen besten Anzug. Das Outfit für eine Standpauke des Polizeichefs. Er kam gerade davon zurück und war sichtlich geknickt. Saß in Lunds Büro über die Morgenzeitung gebeugt, las in dem grauen Licht, das durchs Fenster fiel. Schwieg vielsagend. Lund und Meyer saßen nebeneinander, nervös wie ungezogene Kinder vor dem Lehrer. Meyer unterbrach die Stille.
»Wir wissen natürlich, dass nicht alles so gelaufen ist, wie es sollte.«
Buchard schwieg weiter, zeigte ihnen nur eine Schlagzeile: »Hartmanns Integrationsvorbild entlastet.«
»Wenn Kemal die Wahrheit gesagt hätte …«, begann Lund.
Buchard brachte sie mit einem einzigen sarkastischen Blick zum Schweigen.
»Ich hab Ihnen ja schon gesagt, dass unsere Zusammenarbeit nicht die beste war«, fuhr Meyer fort. »Nicht, dass ich jemandem die Schuld zuschieben will …«
»Kemal hat gelogen!«, ergriff Lund wieder das Wort. »Er hatte jede Möglichkeit, sich zu entlasten, aber er hat es nicht getan. Hätte er …«
Buchard schwenkte die Zeitung zu ihr hin.
»Die Leute sehen doch nur das hier«, fauchte er. »Und nicht eure Ausreden.« Eine Pause. »Der Polizeipräsident will euch von dem Fall abziehen. So eine Presse können wir nicht gebrauchen. Sich in einen Wahlkampf einzumischen … Das ist peinlich. Und jetzt wird der Vater des versuchten Totschlags beschuldigt.«
»Kemal will ihn doch gar nicht anzeigen!«, rief Meyer. »Zählt das denn nicht?«
»Das entscheiden die Juristen, nicht er. Ihr habt’s vermasselt, alle beide.«
Sie blickten zu Boden.
»Nennt mir einen einzigen guten Grund, warum ich euch nicht auf der Stelle rausschmeißen soll.«
»Nur einen?«, gab Lund prompt zurück. »Ich könnte dir …«
»Ich höre.«
»Wir wissen mehr über die Sache als irgendjemand sonst. Ein neues Team würde eine Woche brauchen, um sich in den Fall einzuarbeiten.«
»Lieber warte ich eine Woche, und dann läuft die Sache, als dass ich euretwegen wieder eins auf den Deckel kriege.«
»Wir wissen mehr als gestern.«
»Ich hab einen Termin in dem Gymnasium«, ergänzte Meyer. »Da kann ich die Sache klären. Wir kriegen das wieder in den Griff. Lund hat recht. Jemand anders müsste nochmal ganz von vorn anfangen.«
Buchard dachte lange nach.
»Gut. Aber wenn sich bis morgen nichts bewegt, seid ihr draußen.«
Er stand auf, ging zur Tür.
»Und haltet euch vom Rathaus fern. Und von Troels Hartmann. Ich will von der Seite nichts mehr hören. Verstanden?«
»Klar«, sagte Meyer.
Buchard ging. Lund saß stumm da, dachte nach, die Arme fest vor dem schwarz-weißen Pullover verschränkt. Meyer ging in den Flur hinaus, redete mit den diensthabenden Beamten.
»Wir müssen die Sache wieder auf Kurs bringen«, sagte er. »Fahrt noch mal in die Schule. Sprecht mit jedem, den ihr zu fassen kriegt. Handwerker, Putzfrauen. Mit jedem.«
Lund stand auf und sah die Beweisbeutel durch, fand den gesuchten.
»Gebt allen Taxifahrern Nannas Bild«, sagte Meyer.
»Das haben sie doch längst«, stöhnte Svendsen.
Meyer wandte sich ihm zu.
»Alle? Jeder einzelne Taxifahrer in Kopenhagen? Nein. Das glaub ich nicht. Findet raus, wer in der Nähe von Kemals Wohnung unterwegs war. Ob Nanna von dort ein Taxi genommen hat. Was auch immer!«
Schimpfend kam er ins Büro zurück.
»Mein Gott. So schwer kann das doch nicht sein.«
Sie hatte das Fahrtenbuch des Wagens aufgeschlagen vor sich.
»Schick ein Foto von dem Wagen an alle Tankstellen in der Stadt«, sagte sie. »Frag nach, ob sie ihn am 31. Oktober abends gesehen haben.«
»Wieso?«
»Wir haben was übersehen.«
Sie gab ihm das Fahrtenbuch.
»Laut Kilometerstand hätte nicht mehr viel Benzin im Tank sein dürfen. Er ist aber fast voll. Wenn der Täter getankt hat …«
»Dann ist er von einer Überwachungskamera aufgenommen worden. Schon klar. Ich bin nicht blöd.«
»Gut! Fangen wir mit den Tankstellen in der Nähe von Nannas Schule an.«
»Lund. Wenn du ein gestohlenes Auto
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