Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
heran.
»Die können Sie nicht sehen«, sagte Meyer. »Keine Angst.«
Amir schüttelte den Kopf.
»Haben Sie ihn von vorn oder im Profil gesehen? Denken Sie nach.«
Er schaute hin.
»Der könnte es sein. Die Nummer drei.«
»Nummer drei?«, fragte Lund.
Skærbæk.
»Vielleicht.«
»Ist er’s oder ist er’s nicht?«, wollte Meyer wissen.
»Vielleicht auch die Nummer fünf.«
Die Anwältin stieß einen langen, schmerzlichen Seufzer aus.
»Ich weiß nicht.«
Lund legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Amir?«, sagte die Anwältin. »Wie weit ist Ihre Wohnung von Birk Larsens Garage entfernt?«
»Zwei Straßen.«
»Sie sind fast Ihr ganzes Leben lang an dem Anwesen vorbeigegangen. Sie waren als Kind immer dort, um mit Nanna zu spielen?«
Er sagte nichts.
»Also müssten Sie doch ein bekanntes Gesicht wiedererkennen, oder nicht?«
Lund nickte einem der uniformierten Polizisten zu, Amir wieder ins Büro zu bringen. Die Anwältin sah Lund und Meyer an. »Ich finde das eine unglaubliche Veranstaltung von Ihnen. Nummer fünf ist einer Ihrer Beamten, stimmt’s? Selbst wenn er Vagn genannt hätte … Natürlich hat er den gesehen. In der Garage.«
Sie sah auf die Uhr.
»Wir müssen jetzt los.«
»Nein«, sagte Lund. »Sie bleiben noch.«
Im Büro saß Skærbæk in seiner roten Latzhose. Mütze auf dem Kopf, verdrossene Miene, gelangweilt.
»In dem Pflegeheim hat Sie von zehn Uhr abends bis acht Uhr morgens niemand gesehen«, sagte Meyer.
»Wie denn auch? Ich hab geschlafen. Im Zimmer meines Onkels.«
»Stimmt. Und den Rest des Wochenendes waren Sie im Lager.«
»Genau.«
»Dort hat Sie aber auch niemand gesehen, Vagn.«
»Ich war allein. Die Hebebühne hat nicht funktioniert. Ich bin in der Garage geblieben. Ich bastel gern rum. Warum sollte Theis einen Mechaniker bezahlen, wenn ich die Reparatur auch selber machen kann?«
»Ihr Telefon war ausgeschaltet.«
»Ich hab die Hebebühne repariert. Wenn einer was will, kann er ja eine Nachricht hinterlassen.«
»Aber niemand kann bestätigen, dass Sie dort waren.«
»Doch, Theis und Pernille.«
Lund stand an der Tür, beobachtete, wie er antwortete, dachte über seine Art zu sprechen nach.
»Sie sind 41, Vagn. Wieso haben Sie nicht Frau und Kinder?«
»Ich hab eben nicht die Richtige kennengelernt.«
»Vielleicht mögen die Frauen Sie nicht«, sagte Meyer.
»Und Sie kümmern sich immer noch viel um Anton und Emil«, ergänzte Lund.
»Sicher. Ich bin ihr Patenonkel. Was soll denn falsch daran sein, wenn man sich um seine Familie kümmert?«
Lund schüttelte den Kopf.
»Aber die sind nicht Ihre Familie.«
Er sah ihr in die Augen.
»Sie verstehen das nicht. Sie tun mir leid.«
»Sie und Pernille«, schaltete sich Meyer ein. »Hatten Sie vielleicht eine Affäre mit ihr, als Theis mal im Bau war?«
Skærbæk wandte sich an die Anwältin.
»Muss ich auf diesen Scheiß antworten?«
»Ist vielleicht besser«, sagte sie.
»Ich will aber nicht.«
Meyer zündete sich eine Zigarette an.
»Was zum Teufel haben Sie also davon? Ich kapier das nicht. Die lange Zeit. Das viele investierte Geld. Was kriegen Sie dafür?«
»Gegenseitigen Respekt.«
»Gegenseitigen Respekt? Wofür? Sie sind ein trauriger Einzelgänger, der bei der Familie rumhängt.« Meyer zeigte über den Tisch. »Mit dieser blöden Silberkette? Ich meine … was für ein komischer Kauz sind Sie …«
»Haben Sie Theis beneidet?«, fragte Lund.
»Sie haben Pernille noch nie gesehen, wenn sie wütend ist.«
Sie setzte sich neben ihn.
»Sie und Theis waren schon als Kinder befreundet. Er hat als Erwachsener alles bekommen. Ein eigenes Geschäft. Eine Familie. Ein gutes Leben.«
»Und Sie«, fuhr Meyer fort, »gehen nur jeden Tag zur Arbeit und hängen grinsend an ihren Rockschößen. Sie verbringen Ihre Tage damit, sich um allen möglichen Scheiß zu kümmern. Dann sehen Sie zu, wie Theis zu Frau und Kindern nach Hause geht.«
»Reden Sie von Ihrem Leben?«, fragte Skærbæk mit einem dümmlichen, kindischen Grinsen.
»Sie sind ein Loser«, knurrte Meyer. »Keine Zukunft, keine Familie. Beruflich in der Sackgasse. Und dann fängt die schöne Tochter vom Chef an, mit so einem Kanaken rumzumachen …«
»Sie sollten sich was schämen, als Polizist so zu reden.«
Die Anwältin legte ihr Notizbuch auf den Tisch.
»Mein Mandant beantwortet gern relevante Fragen. Wenn Sie welche haben. Wenn nicht …«
»Wissen Sie, was Phenobarbital ist?«, fragte Lund.
»Ich hab nichts
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