Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
verbrochen.«
»Warum hängen Sie so viel bei denen rum?« Meyer kam wieder auf diesen Punkt zurück. »Ständig sind Sie dort. Als Theis losgezogen ist, um den Lehrer krankenhausreif zu prügeln, sind Sie hinterhergetrottet. Warum?«
»Weil ich ihm was schuldig bin! Okay?«
Sie hatten einen wunden Punkt gefunden, aber Lund hatte keine Ahnung, was es war.
»Warum sind Sie ihm was schuldig, Vagn?«
»Sucht’s euch doch selber aus, ihr Idioten! Wissen Sie was? Sie schleifen mich hierher, beschimpfen mich. Meinen Sie, ich weiß nicht, worauf das hinausläuft?«
Vagn Skærbæk erhob sich.
»Idioten. Ich will jetzt gehen.«
»Sie bleiben hier«, sagte Lund.
Svendsen wartete draußen.
»Die haben in Vestamager was gefunden«, sagte er.
»Was?«
»Sie sind sich nicht sicher. Sie arbeiten dran. Es ist nicht einfach.«
»Fahren wir hin«, sagte Lund.
Svendsen zeigte mit einer Kopfbewegung auf die Gestalt in der roten Latzhose im Vernehmungsraum.
»Was ist mit dem?«
»Lass dir seinen Pass geben, falls er einen hat«, ordnete Lund an. »Sag ihm, er darf Kopenhagen nicht verlassen.«
Ein Gedanke.
»Sieh noch mal die Akten durch. Irgendwas haben wir übersehen.«
Svendsen konnte es nicht ausstehen, wenn er etwas zweimal machen sollte.
»Worauf soll ich denn diesmal achten?«
»Irgendwas mit Vagn und Theis Birk Larsen. Es muss etwas sein …«
Skærbæk saß über den Tisch gebeugt da und brach wieder Stückchen von seinem Plastikbecher ab. Spielte den Idioten.
»… das eine Verbindung herstellt«, sagte sie.
Noch drei volle Wahlkampftage bis zum Wochenende. Die Friedhofsruhe am Montag. Dann die Wahl. Die Veranstaltungen nahmen kein Ende, diesmal hatte eine im Schwarzen Diamanten stattgefunden, der Königlichen Bibliothek am Hafen. Ein Saal voller Anhänger, eine Handvoll Medienvertreter. Durch die riesigen Fenster trübes Winterlicht. Hartmann nickte lächelnd, als das Publikum zum Ausgang strömte. Er eilte zur Tür, um die Getreuen zu verabschieden.
Lächeln und Händeschütteln. Schulterklopfen. Gegenseitiges Dankesagen.
Draußen glänzte das schwarze Glas im Regen. Hartmann schaute auf das triste graue Wasser hinaus. Wartete auf Skovgaard und den Wagen. Ausnahmsweise einmal allein, fühlte er sich seltsam frei. Er hatte gewusst, dass der lange Kampf um Bremers Sturz Kraft kosten würde. Aber so schlimm hatte er es sich nicht vorgestellt. Er fühlte sich ausgelaugt. Umzingelt von unsichtbaren Feinden. Ohne die nötigen Waffen, um sich gegen sie zu wehren.
Rie Skovgaard war als Erste bei ihm.
»Stokke …«, setzte Hartmann an.
»Wir finden ihn nicht. Du wirst dir überlegen müssen, ob du die Vorwürfe gegen ihn nicht zurücknimmst.«
»Dann kann ich mich auch gleich als Kandidat verabschieden. Was unternimmt die Polizei?«
Sie trug das Haar jetzt hochgesteckt, nicht auf die Schultern fallend, wie sie es am liebsten hatte.
»Keine Ahnung. Ich besorg uns jetzt was zu essen. Weiß der Himmel, wann wir wieder dazu kommen.«
Er sah ihr nach. Stand auf der Treppe, in Wind und Nieselregen. Achtete kaum darauf. Allein. Ein Mann tauchte aus dem Gebäude auf. Er trug einen schwarzen Mantel und trotz des trüben Lichts eine Sonnenbrille. Er kam näher, dann blieb er vor einem der Wahlplakate an der Glasfassade stehen. Troels Hartmann mit einem Lächeln für die Welt, zuversichtlich, bescheiden, jugendlich. Tatkräftig und frisch. Mit zehn Schritten war Hartmann bei ihm.
»Sie führen einen guten Wahlkampf«, sagte Gert Stokke.
Hartmann sah sich um. Niemand in der Nähe.
»Der alte König stirbt. Der neue König wartet an seinem Bett. Lang lebe Troels Hartmann.«
Stokke salutierte.
»Die suchen Sie, Gert.«
Die Mundwinkel nach unten gezogen, den kahlen Kopf glänzend vom Regen, sagte Stokke: »Warum hab ich mich nur in all das reinziehen lassen? Ich hätte beim Archivieren von Protokollen bleiben sollen. Und Holck und Bremer davonkommen lassen.«
»Haben Sie aber nicht.«
»Ich mache meine Arbeit und versuche, sie verantwortungsbewusst zu erledigen.«
»Das weiß ich.«
Er lachte.
»Ach ja? Haben Sie deshalb meinen Namen in den Ring geworfen? Ohne mich vorzuwarnen?«
Hartmann lehnte sich an das schwarze Glas und betrachtete sein eigenes Spiegelbild.
»Manchmal entfalten die Ereignisse ein Eigenleben. Dann haben wir keine Macht über sie. Ich weiß das inzwischen besser als die meisten anderen.«
Wieder das trockene Lachen.
»Sie sind sehr redegewandt. Aber Beamte haben es nicht so mit
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