Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Schwestern. Ich nehme, was die mir geben.«
Lund zeigte ihm ein Hochzeitsfoto. Ein Paar aus einer früheren Zeit, steif und ernst dreinblickend, ein Schwarzweißbild.
»Wer sind die beiden?«
»Vagns Eltern. Das ist mein Bruder.« Er hielt inne. »Dieser Faulenzer.«
»Was haben sie gemacht?«
»Ich glaube, sie war da schon in anderen Umständen. Damals durfte man das allerdings nicht laut sagen.«
»Nein, ich meinte, was haben sie beruflich gemacht?«
»Sie haben in einem Krankenhaus gearbeitet. Keine guten Menschen, das muss ich leider sagen.«
Der alte Mann holte tief Luft.
»Vagn hatte einen so schlechten Start im Leben. Diese Kinder …« Er hob die Stimme. »Die brauchen Disziplin. Sie brauchen ein Vorbild. Man muss ihnen vorleben, wie man sich benimmt. Und wenn sie sich nicht dran halten, dann …«
»Was dann?«, fragte Meyer.
»Dann muss man ihnen beibringen, dass das Folgen hat. Ich musste das nie tun. Nicht bei Vagn. Aber manche von den jungen Leuten, die man heute so sieht …«
Im Hinausgehen ließen sie sich die Pflegeprotokolle zeigen. Skærbæk hatte seinem Onkel Phenobarbital gegeben, ein starkes Beruhigungsmittel. Lund fuhr wieder.
»Wie viele?«
»Nur eine. Die haut ein Pferd um. Er hätte trotzdem an der Schwesternstation vorbeimüssen, um rauszukommen. Du hast die Sicherheitsvorkehrungen ja gesehen …«
Lund schüttelte den Kopf.
»Ich bin in den ersten Stock rauf, als du mit den Schwestern geredet hast. Es gibt noch andere Ausgänge. Er hätte rausgekonnt.«
»Dann ist er gerissener, als er aussieht.«
»Sag ich doch. Und ob er das ist.«
Meyer schweig.
»Was ist?«, fragte sie.
»Du hast den alten Mann gehört. Du hast die Heimleiterin gehört. Die lieben ihn alle heiß und innig.«
»Das sagt gar nichts, Meyer.«
»Wie bitte?«
»Das sagt gar nichts!«
»Der Mann geht her und setzt sich fast jeden Freitagabend zu seinem alten Onkel? Während der normale Kopenhagener Arbeiter es kaum erwarten kann, sich das eine oder andere Bier reinzuziehen? Das …«
»Das … sagt … gar … nichts.«
»Ohne Skærbæk hätte Theis Birk Larsen nie ein Geschäft aufziehen können, nach allem, was ich gesehen hab.«
Lund überlegte.
»Schwaches Kind, wird in der Schule schikaniert. Eltern tot. Aufgewachsen bei einem Onkel.«
Ganz plötzlich fing es an zu regnen. Die Windschutzscheibe beschlug. Meyer griff hinüber und schaltete die Scheibenwischer ein.
»Mir wär’s lieber, du würdest mich fahren lassen.«
»Wir machen eine Gegenüberstellung. Um zu sehen, ob Amir ihn identifizieren kann.«
»Du klammerst dich an Strohhalme. Irgendwas Neues im Wald?«
Sie stellte die Scheibenwischer auf die zweite Stufe. Sah zu, wie der Wagen in Regenschleier gehüllt wurde.
»Wenn wir über Vagn nichts finden, wird Brix den Fall Hauge abschließen«, sagte Meyer. »Wir brauchen mehr als ein paar Pillen und ein altes Foto.«
»Das weiß ich selber. Heißen Dank.«
Theis und Pernille sprachen mit der Anwältin Lis Gamborg, in der Küche, an dem Tisch mit den Fotos. Beklagten sich über die Polizei, über die ständigen Besuche, die endlosen Befragungen. Die Frau hörte zu und sagte dann: »Ich verstehe Sie gut. Trotzdem, Sie können im Grunde nichts tun. Es ist eine polizeiliche Ermittlung. In einem Mordfall.«
»Aber die tun doch gar nichts«, sagte Pernille. »Sie bringen nichts zustande. Immer wieder sagen sie, der Fall sei gelöst. Abgeschlossen. Und am nächsten Tag stehen sie wieder auf der Matte, und alles fängt wieder von vorn an.«
»Die Polizei hat im Allgemeinen ihre guten Gründe, Pernille. Selbst als Nannas Eltern haben Sie kein Recht, über laufende Ermittlungen informiert zu werden.«
»Kein Recht?«
»Vor dem Gesetz nicht, nein. Ich kann im Präsidium vorsprechen. Darum bitten, dass sie nicht unangemeldet hier auftauchen.«
»Das reicht uns nicht«, erwiderte Birk Larsen. »Wir wollen mit denen nichts mehr zu tun haben. Wir sind fertig mit ihnen. Und wir händigen ihnen auch das Videoband nicht aus.«
»Dafür können sie sich eine richterliche Anordnung besorgen.«
»Ich will sie hier nicht mehr sehen. Ich will sie nicht bei mir zu Hause …«
»Ich rede mit ihnen. Mal sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Noch was. Neuerdings belästigen sie einen unserer Fahrer. Mit dem wir eng befreundet sind.«
Pernille sah ihn überrascht an.
»Hier geht’s um uns, Theis.«
»Ich lasse nicht zu, dass sie Vagn drangsalieren. Er war immer für mich da. Und ich für
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