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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Kurzwarenhändlers eingenommen hatte, so war er derart überrascht, daß er sich beinahe an einem Bonbon verschluckte.
    Â»Zum Teufel!«, sagte er hustend. »Bei meiner Ehre, das ist stark.«
    Er lachte albern. Doch zu Vater Plantat gewandt, wisperte er leise: »Sehr stark! Denn das galt ja uns. Wenn die Comtesse einen Stoffetzen in ihrer Hand hatte, dann haben ihn die Mörder dort plaziert, um uns in die Irre zu führen.«
    Monsieur Domini hatte den Ausruf nicht beachtet, noch viel weniger auf die Überlegungen Monsieur Lecoqs gehört. Er reichte Vater Plantat die Hand und empfahl sich bis morgen.
    Dann ging er, von seinem Schreiber gefolgt, hinaus.
    Unter Bewachung der Orcivaler Gendarmen wurden die gefesselten Guespin und das Tönnchen wenige Minuten später zum Gefängnis von Corbeil abgeführt.
    * * *
    I m Billardzimmer des Schlosses Valfeuillu hatte Doktor Gendron seine unangenehme Arbeit beendet.
    Er hatte bereits seinen schwarzen Gehrock mit den breiten Manschetten und dem mit dem Band der Ehrenlegion geschmückten Revers übergezogen und den Kragen seines Hemdes aus schwerem Leinen über den Kragen gelegt. Auf einem kleinen Tisch neben ihm lagen die Instrumente, deren er sich bedient hatte, Operationsmesser und mehrere versilberte Sonden.
    Für die Untersuchung hatte er den Leichnam entkleiden müssen und ihn anschließend mit einem großen weißen Tischtuch bedeckt, unter dem man vage die Form eines menschlichen Körpers erkennen konnte und das auf einer Seite des Billardtisches herabhing. Es war Nacht geworden, und eine Kugellampe aus milchigem Kristall erhellte die gespenstische Szenerie. Über einen immensen Wassereimer gebeugt, war der Doktor gerade damit fertig, sich die Hände zu säubern, als der alte Friedensrichter und der Polizeiagent eintraten. Beim Geräusch der sich öffnenden Tür richtete sich Gendron auf.
    Â»Ah, Sie sind’s, Plantat«, sagte er mit einer Stimme, der man die Aufregung anhörte, »wo ist Monsieur Domini?«
    Â»Abgefahren.«
    Der Doktor gab sich erst gar nicht die Mühe, eine heftige Bewegung des Unwillens zu unterdrücken.
    Â»Ich muß ihn aber sprechen«, sagte er, »es ist unbedingt nötig, und je früher, desto besser. Ich kann mich zwar irren...«
    Monsieur Lecoq und Vater Plantat waren näher getreten, nachdem sie die Tür, vor der sich die Dienstboten des Schlosses drängten, geschlossen hatten. Im Lichtschein der Lampe erst konnten sie erkennen, wie aufgewühlt das Gesicht des ansonsten so ruhigen Doktors wirkte.
    Es war bleich, viel bleicher als die Tote, die unter dem Tischtuch lag.
    Miene und Stimme des Doktors waren ganz sicher nur von der Aufgabe verursacht worden, die er gerade beendet hatte. Gewiß, das war nicht gerade angenehm, aber Monsieur Gendron war einer von jenen alten Praktikern, die schon all dem menschlichen Leid den Puls gefühlt hatten.
    Er mußte etwas Außergewöhnliches entdeckt haben. »Mein lieber Doktor«, sagte Vater Plantat zu ihm, »jetzt kann ich Sie das fragen, was Sie mich einige Stunden zuvor gefragt hatten: Ist Ihnen nicht wohl?«
    Monsieur Gendron schüttelte traurig den Kopf und antwortete gemessen:
    Â»Mein Freund, ich antworte Ihnen das gleiche, was Sie mir geantwortet haben: Es ist nichts, absolut nichts.«
    Monsieur Lecoq trat näher.
    Â»Ich glaube zu wissen«, sagte er, »was die Gemütsbewegung des Doktors verursacht hat. Er hat nämlich soeben festgestellt, daß Madame de Trémorel durch einen einzigen Stich getötet wurde und sich die Mörder später an einem fast kalten Leichnam zu schaffen machten.«
    Die Augen des Doktors blickten den Beamten von der Sûreté überaus erstaunt an.
    Â»Wie haben Sie das nur vermuten können?« fragte er. »Oh, das habe ich nicht allein vermutet«, antwortete in aller Bescheidenheit Monsieur Lecoq. »Mit dem Herrn Friedensrichter teile ich mich in die Ehre, das System herausgefunden zu haben, das uns diesen Fakt voraussehen ließ.« Monsieur Gendron schlug sich an die Stirn.
    Â»Stimmt!« rief er aus. »Jetzt erinnere ich mich wieder an Ihre Bemerkung. In meiner Verwirrung – ich muß gestehen, sie ist sehr groß – habe ich das völlig vergessen.«
    Monsieur Lecoq glaubte sich verbeugen zu müssen.
    Â»Völlig richtig«, fuhr der Arzt fort, »Ihre Annahme hat sich bestätigt. Zwischen dem

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