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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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zurück.
    Sie baten Monsieur Lecoq, sich näher zu erklären.
    Â»Ja nun«, ergriff der Polizeibeamte wieder das Wort, »Art und Richtung der tödlichen Verletzung beweisen mir, daß die Comtesse vornübergebeugt auf einem Stuhl gesessen hat, mit ziemlicher Gewißheit in ihrem Zimmer, und im Begriff war, ihren Tee zu sich zu nehmen. Der Mörder ist hinter sie getreten und hat mit aller Wucht zugestochen. Sie fiel vornüber und schlug mit dem Kopf auf der Tischkante auf. Das erklärt den Bluterguß, den einzigen übrigens, der am Kopf festgestellt wurde.«
    Doktor Gendron schaute abwechselnd zu Monsieur Lecoq und Vater Plantat.
    Â»Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sich das Verbrechen so abgespielt, wie es uns der Herr Polizeiagent schildert«, stimmte er Monsieur Lecoqs Version zu.
    Nach diesen Worten herrschte Schweigen. Schließlich glaubte Vater Plantat, da ihn das beharrliche Nachdenken von Monsieur Lecoq irritierte, es brechen zu müssen. »Haben Sie gesehen, was Sie sehen wollten?« fragte er ihn. »Für heute schon. Für die weiteren Nachforschungen brauche ich Tageslicht. Bis auf ein Detail, das mir ein bißchen Sorgen macht, bin ich allerdings jetzt völlig im Bilde.«
    Â»Wir müßten uns also morgen früh noch einmal hier treffen.«
    Â»Ich werde hier sein, wann es Ihnen paßt.«
    Â»Wenn Ihre Nachforschungen beendet sind, könnten wir uns dann ja gleich zu dem Herrn Untersuchungsrichter nach Corbeil begeben.«
    Â»Ich stehe dem Herrn Friedensrichter jederzeit zur Verfügung.«
    Und wieder herrschte Schweigen. Vater Plantat fühlte sich ein wenig unangenehm in seiner Haut und begriff nicht, weshalb der Detektiv, der doch sonst so beredt gewesen war, auf einmal kein Wort zuviel verlor.
    Monsieur Lecoq, der wohl bemerkte, daß seine Haltung den Friedensrichter etwas verwirrte, überlegte gerade, wie er wohl am nächsten Morgen seinen Bericht beginnen würde. Mechanisch hatte er die Dose mit den Bonbons aus der Tasche gezogen und sich ein Bonbon in den Mund gesteckt. »Wenn es so ist«, ließ sich da der Doktor vernehmen, »bleibt uns im Augenblick nichts weiter übrig, als uns zurückzuziehen.«
    Â»Ich war eben im Begriff, darum zu bitten«, sagte Monsieur Lecoq, »ich bin seit heute früh auf den Beinen.«
    Â»Fahren Sie heute abend noch nach Paris zurück?« fragte ihn Vater Plantat ein wenig barsch.
    Â»Nein, Monsieur, ich bin heute morgen hier angekommen mit der Absicht, auch hier zu übernachten. Bevor ich mich auf den Weg zum Schloß machte, habe ich sogar mein Gepäck in der kleinen Herberge untergestellt, die auf dem Weg hierher liegt. Dort werde ich jetzt zu Abend essen und schlafen gehen.«
    Â»Ich kann Ihnen das Gasthaus ›Zum treuen Grenadier‹ kaum guten Gewissens empfehlen«, meinte der Friedensrichter lächelnd. »Gönnen Sie Ihrem Magen etwas Besseres und speisen Sie bei mir.«
    Â»Der Herr Friedensrichter ist zu liebenswürdig...«
    Â»Und da wir darüber hinaus vielleicht noch lange zu reden haben, können Sie auch gleich bei mir übernachten. Wir nehmen Ihr Gepäck auf dem Heimweg mit.«
    Monsieur Lecoq verbeugte sich, von der Einladung sowohl gerührt als auch etwas geschmeichelt.
    Â»Und Sie auch, Doktor«, meinte Vater Plantat. »Ah, sagen Sie nicht nein. Wenn Sie unbedingt noch heute nach Corbeil zurückfahren wollen, dann bringen wir Sie nach dem Abendessen hin.«
    Blieben nur noch die Siegel anzubringen.
    Das wurde prompt erledigt. Schmale Pergamentstreifen mit breiten Wachsstempeln am Ende – die Waffen der Gerichtsbarkeit – wurden an allen Türen in der ersten Etage angebracht, des weiteren an dem Zimmer mit der Axt und auch an den Flügeln eines Schrankes, in dem man alle in den Protokollen sorgfältig erwähnten Beweisstücke untergebracht hatte.
    * * *
    T rotz aller aufgebotenen Eile war es erst gegen zehn Uhr abends, als Vater Plantat und seine Gäste Schloß Valfeuillu verließen. Anstatt den Weg von heute morgen zu nehmen, schwenkten sie in einen kleinen, abschüssigen Fußpfad ein, der entlang des Grundstücks von Madame de Lanascol zur Eisenbahnbrücke führte.
    Es war der kürzeste Weg, um die Herberge zu erreichen, in der Monsieur Lecoq sein Gepäck abgestellt hatte.
    Unterwegs machte sich der Friedensrichter, der durch die Ermittlungen in dem Mordfall etwas

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