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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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erwidern: Schauen Sie sich doch diese Siegwurzbüschel und Seerosenblätter oder Binsenstengel an; auf all diesen Pflanzen finden Sie eine Staubschicht, gewiß, sie ist sehr fein, aber es ist schließlich Staub. Bemerken Sie darauf nur die Spur eines Wassertropfens? Nein. Folglich hat es kein Spritzen und auch keinen Sturz gegeben. Demnach wurde die Comtesse auch nicht hier getötet, sondern man hat ihren Körper hierher geschleift und dort niedergelegt, wo Sie ihn gefunden haben.«
    Vater Plantat schien noch zu zweifeln.
    Â»Aber diese Spuren eines Kampfes im Sand«, wagte er einzuwenden.
    Monsieur Lecoq machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der Herr Friedensrichter beliebt zu scherzen«, erwiderte er, »diese Abdrücke täuschen nicht einmal einen Gymnasiasten.«
    Â»Mir scheint jedoch...«
    Â»Es ist kein Zweifel möglich. Sicher, der Sand ist aufgewühlt, das steht fest. Aber all diese Spuren wurden von ein und demselben Fuß verursacht, und zwar ausschließlich mit der Fußspitze. Wenn es also auf solch einem für eine kriminelle Untersuchung äußerst günstigen Gelände einen Kampf gegeben haben sollte, so müßte man zwei höchst unterschiedliche Fußspuren bemerken: diejenigen des Angreifers und die des Opfers. Der Angreifer stützt sich dabei notwendigerweise auf den vorderen Teil des Fußes und hinterläßt von demselben stärkere Abdrücke. Im Gegensatz dazu verteidigt sich das Opfer, stemmt sich mit den Hacken in den Boden und hinterläßt von ebendiesen Hacken zahlreiche Abdrücke. Wenn die Gegner gleich stark sind, findet man sowohl von Spitze wie von Ferse gleich viele Abdrücke, je nach dem Kampfverlauf. Und was finden wir hier...?« Vater Plantat unterbrach den Beamten.
    Â»Perfekt, Monsieur«, sagte er, »perfekt. Der ungläubigste Mensch wäre jetzt restlos überzeugt.«
    Â»Das ist jedoch noch nicht alles«, meinte Monsieur Lecoq seinerseits, wobei er ein wenig den Lehrmeister herauskehrte, und indem er sich ein Bonbon in den Mund steckte, fuhr er fort: »Wir sind uns einig, daß die Comtesse hier nicht erschlagen wurde. Ich würde noch hinzufügen: Sie wurde nicht hierher getragen, sondern geschleift. Der Beweis hierfür ist leicht zu erbringen. Es gibt nur zwei Arten, einen Leichnam hinter sich herzuziehen. Entweder man packt ihn unter den Achseln, dann hinterlassen die beiden Füße zwei parallele Fußspuren. Oder man packt ihn bei den Beinen, dann hinterläßt der Kopf auf dem Boden eine einzige und ziemlich breite Spur.«
    Vater Plantat nickte zustimmend.
    Â»Als ich den Rasen untersuchte«, erklärte Monsieur Lecoq weiter, »sind mir nur die beiden parallelen Spuren aufgefallen; allerdings war der Rasen in einem ziemlich breiten Ausmaß niedergedrückt. Warum? Es war nicht der Leichnam eines Mannes, den man so über den Rasen geschleift hat, sondern der einer vollständig bekleideten Frau. Die Röcke haben diese breite Spur hinterlassen. Also war es der Leichnam der Comtesse und nicht der des Comte.«
    Monsieur Lecoq hielt inne und schien auf irgendeine Frage, einen Einwand, gar auf einen Ausruf der Begeisterung zu lauern. Doch der alte Friedensrichter machte den Eindruck, als sei er in tiefes Nachdenken versunken.
    Es wurde allmählich dämmrig, ein leichter Nebel wie der Rauch eines feuchten Strohfeuers breitete sich über die Seine.
    Â»Lassen Sie uns zum Haus gehen«, sagte Vater Plantat plötzlich, »und schauen, wie weit der Doktor mit der Autopsie ist.«
    Gemächlich strebten er und der Polizeibeamte dem Hause zu. Dort trafen sie den Untersuchungsrichter auf der Freitreppe, der im Begriff gewesen war, ihnen entgegenzugehen. Er hielt eine große violette Aktenmappe mit seinen Initialen unter dem Arm und hatte seinen leichten schwarzen Mantel übergeworfen.
    Er wirkte äußerst zufrieden.
    Â»Ich überlasse Sie dem Meister, Herr Friedensrichter«, sagte er, an Vater Plantat gewandt, »denn wenn ich heute abend noch den Herrn Staatsanwalt sprechen will, muß ich jetzt losfahren.«
    Vater Plantat verbeugte sich.
    Â»Ich wäre Ihnen sehr verbunden«, fuhr Monsieur Domini fort, »wenn Sie den Abschluß der Untersuchung übernehmen würden. Doktor Gendron hat mir soeben versichert, daß er in wenigen Minuten fertig ist; ich werde seinen Bericht morgen früh erhalten. Tun Sie mir den Gefallen und

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