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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Zimmer zurück. Seine Befürchtung, überrascht zu werden, war so groß, daß er vergaß, den Riegel der Gartentür wieder vorzuschieben.
    Einmal in seinem Zimmer, gewahrte er voller Entsetzen, daß Schneereste an seinen durchgeweichten Pantoffeln klebten. Schnell stieß er sie unters Bett und stellte sich schlafend. Es war höchste Zeit. Berthe kam zurück. Sie näherte sich dem Bett ihres Mannes, und im Glauben, daß er nicht aufgewacht wäre, nahm sie ihre unterbrochene Stickerei wieder auf. Sie hatte noch nicht einmal zehn Stiche gemacht, als Trémorel erschien. Er hatte sein Journal vergessen und wollte es holen. Er schien beunruhigt.
    Â»Sind Sie heute abend noch ausgegangen, Madame?« fragte er mit gedämpfter Stimme, mit der man unwillkürlich im Zimmer von Kranken redet.
    Â»Nein.«
    Â»Die Dienstboten schlafen fest?«
    Â»Ich vermute es. Weshalb die Frage?«
    Â»Jemand muß im Garten gewesen sein, seit ich in mein Zimmer gegangen bin.«
    Berthe schaute ihn besorgt an.
    Â»Sind Sie sicher?«
    Â»Völlig. Draußen liegt Schnee, und der- oder diejenige hat ihn an den Schuhen hereingeschleppt. Auf den Dielen im Vestibül sind lauter Wasserflecke...«
    Madame Sauvresy unterbrach Hector, indem sie entschlossen zur Petroleumlampe griff.
    Â»Kommen Sie!« sagte sie.
    Trémorel hatte sich nicht geirrt. Hier und da sahen sie auf der dunklen Dielung kleine Pfützen.
    Â»Vielleicht ist das Wasser noch von heute nachmittag«, mutmaßte Berthe.
    Â»Nein. Vorhin war es noch nicht da, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, und übrigens, sehen Sie, hier! Da ist noch ein Rest Schnee, der nicht geschmolzen ist.«
    Â»Zweifellos war das ein Dienstbote.«
    Hector ging zur Tür und betrachtete sie.
    Â»Ich glaube nicht«, erwiderte er, »ein Dienstbote hätte den Riegel wieder vorgeschoben, sehen Sie selbst, das ist nicht geschehen. Ich habe heute abend selbst die Tür geschlossen und die Riegel vorgeschoben.«
    Â»Das ist in der Tat ungewöhnlich.«
    Â»Und darüber hinaus führen die Spuren nicht weiter als bis zum Salon.«
    Sie verharrten schweigend und wechselten einen besorgten Blick. Beiden schoß derselbe Gedanke durch den Kopf. »Ob er es war?«
    Aber weshalb sollte er in den Garten gehen. Von dort konnte er sie doch nicht heimlich beobachten. Sie dachten nicht an das Fenster.
    Â»Clément kann es nicht gewesen sein«, sagte Berthe schließlich. »Er schlief, als ich rausgegangen bin, und er schläft auch jetzt noch tief und fest«
    In seinem Bett hörte Sauvresy, was die beiden sagten. Er verfluchte insgeheim seine Unvorsichtigkeit. Hoffentlich kommen sie nicht auf den Gedanken, meinen Schlafrock und meine Schuhe zu untersuchen, dachte er.
    Zum Glück fiel ihnen das nicht ein, und sie trennten sich, indem sie sich gegenseitig beruhigten. Aber innerlich nagte der Zweifel an ihnen.
    Noch in derselben Nacht hatte Sauvresy eine schreckliche Krise. Nach einem Auflodern der Vernunft tauchte er nun um so tiefer in die Schatten seiner Gesichte hinab.
    Doktor R. erklärte ihn am nächsten Morgen gefährdeter als je zuvor. Er schickte sogar eine Depesche nach Paris, um mitzuteilen, daß er zwei bis drei Tage bei dem Kranken auf Valfeuillu bleiben wolle. Die widersprüchlichsten Symptome zeigten sich und stellten den Arzt vor ein Rätsel. Und ging es Sauvresy wirklich einmal eine Stunde lang besser, so stellte sich sofort eine Verschlechterung seines Zustandes ein, wenn er an die nächtliche Szene hinter dem Fenster dachte.
    Er hatte sich übrigens nicht geirrt. An diesem Abend hatte Berthe ihren Geliebten tatsächlich um etwas gebeten.
    Der Bürgermeister von Orcival wollte am übernächsten Tag mit seiner ganzen Familie nach Fontainebleau fahren und hatte dem Comte de Trémorel vorgeschlagen, ihn zu begleiten. Hector hatte das Angebot mit Freuden angenommen. Man würde mit einer vierspännigen Kutsche über Land brausen.
    Aber Berthe, die sich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, daß er einen ganzen Tag mit Laurence verbringen würde, war gekommen, um ihn umzustimmen. Und sie machte ihm klar, daß es ihm dabei nicht an glaubwürdigen Vorwänden mangelte. War es denn vertretbar, da er einen Ausflug machte, während das Leben seines Freundes auf dem Spiel stand?
    Er wollte zunächst nicht nachgeben. Aber vermittels Berthes Bitten – vor allem

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