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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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ihrer Drohungen – willigte er ein. Sie war erst wieder nach unten gegangen, als er ihr geschworen hatte, noch am selben Abend Monsieur Courtois einen abschlägigen Bescheid zu schicken.
    Er hielt sein Versprechen, aber er war es leid, von den Launen dieser Frau abhängig zu sein. Allmählich wurde die Kette, an die er gefesselt war, immer schwerer, und er begann zu begreifen, daß sie nicht lockerer werden würde. Früher oder später würde er sie zerreißen müssen. Er liebte Berthe nicht, und er hatte auch Jenny nicht geliebt – aber die Tochter des Bürgermeisters, die liebte er. Gewiß hatte ihn anfangs die Million geblendet, die sie als Mitgift erhalten würde, aber so ganz klammheimlich war er dem Charme erlegen, der von Laurence ausging. Er, der blasierte Lebemann, wurde von soviel Anmut, soviel unverstelltem Liebreiz, soviel Offenheit und Schönheit verführt.
    Und so entzog er sich Berthe immer mehr, täuschte sie, wo er konnte; sattelte jeden Morgen sein Pferd, um auszureiten, aber er ritt nicht weiter als bis zu Laurence Courtois. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihm Berthe auf die Schliche kam.
    Â»Sie hatten mir versprochen, Hector«, stellte sie ihn eines Tages zur Rede, »Mademoiselle Courtois nicht mehr zu sehen und den Gedanken, sie zu heiraten, aufzugeben.«
    Er wollte etwas einwenden.
    Â»Lassen Sie mich ausreden«, sagte sie, »Sie können sich später erklären. Sie haben Ihr Wort gebrochen, mein Vertrauen mißbraucht, meine Geduld ist am Ende. Ich wiederhole Ihnen noch einmal: Sie werden Mademoiselle Courtois nicht heiraten!«
    Und ohne ihm Zeit zur Erwiderung zu lassen, spulte sie die ewige Litanei der Frauen ab, die verführt wurden oder behaupten, verführt worden zu sein. Weshalb war er denn hergekommen? Sie war zufrieden in ihrem Heim, bevor sie ihn kannte. Sie liebte Sauvresy nicht, das stimmte, aber sie schätzte ihn, er tat ihr gut. Da sie die Wonne göttlicher Leidenschaften nicht kannte, begehrte sie sie ja nicht. Aber dann war er aufgetaucht, und sie hatte seiner Faszination nicht widerstanden. Warum hatte er es denn ausgenutzt, daß sie sich unwiderstehlich von ihm angezogen fühlte. Und jetzt, nachdem sie ihn verloren hatte, wollte er sich zurückziehen und eine andere heiraten. Und ließ sie mit der Erinnerung an die Schande und voller Selbstvorwürfe über einen unbedachten Schritt allein zurück.
    Trémorel hörte ihr überrascht zu. Das war doch kaum zu glauben! Was! Sie wagte ihm vorzuwerfen, er habe sich ihre Unerfahrenheit zunutze gemacht, dabei war sie doch viel zielstrebiger als er – wie oft hatte er sich über ihre Gelüste gewundert. Ihre Verderbtheit war dergestalt, daß er sich manchmal gefragt hatte, ob er nicht der erste, sondern der zwanzigste ihrer Liebhaber gewesen sei.
    Aber sie hatte durch diese Worte einen Entschluß in ihm reifen lassen; er war eher entschlossen, ihr Widerstand zu leisten, als diese Art von Hörigkeit länger hinzunehmen. Bei der ersten Gelegenheit, so hatte er sich vorgenommen, wollte er ihr die Stirn bieten. Und diese Gelegenheit war jetzt da.
    Â»Na und, sicher«, erwiderte er, »ich habe Sie betrogen, jawohl, aber ich habe keine Zukunft, und da mir diese Heirat eine Zukunft sichert, werde ich heiraten.«
    Und er schwor, daß er Laurence nicht um ihrer selbst willen, sondern des Geldes wegen liebte.
    Â»Wenn Sie morgen eine Frau für mich hätten, die anderthalb statt einer Million hätte, würde ich lieber die als Mademoiselle Courtois ehelichen.«
    Niemals hätte sie ihm soviel Mut zugetraut. Sie hatte ihn wohl zulange wie formbares Wachs in ihren Händen behandelt, so daß sie dieser unerwartete Widerstand aus der Fassung brachte. Sie war aufgebracht, aber gleichsam empfand sie eine Art von ungesunder Befriedigung, die gewisse Frauen bei Männern, die sie schlagen, mögen, und ihre Liebe für Trémorel, die schwächer geworden war, schien dadurch neuen Reiz gewonnen zu haben. Und außerdem hatte er diesmal die Worte gefunden, um sie zu überzeugen. Sie hielt ihn durchaus für fähig, sich nur wegen des Geldes zu verehelichen.
    Â»Also ist es doch war«, sagte sie auf seine Worte, »daß Sie nur an der Million interessiert sind?«
    Â»Ich könnte es Ihnen tausendfach beschwören.«
    Â»Sie lieben Laurence nicht wirklich?«
    Â»Berthe, mein Engel, ich habe nie, ich

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