Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
Vom Netzwerk:
sagen: ›Du bist zu glücklich, schlagen wir uns um sie!‹ Also hast du mich hinterrücks entehrt. Berthe war nur das Werkzeug deines Hasses. Und jetzt ist sie dir lästig, du verachtest und fürchtest sie gleichsam. Freund Hector, du bist in meinem Hause wie der nichtsnutzige Lakai gewesen, der meint, seine Minderwertigkeit dadurch zu rächen, indem er in die Speisen spuckt, die er zum Tische seines Herrn bringt!«
    Der Comte de Trémorel antwortete nur noch mit einem Greinen. Die Worte dieses sterbenden Mannes trafen sein Gewissen stärker als Schläge in sein Gesicht.
    Â»Nun, Berthe«, fuhr Sauvresy, an sie gewandt, fort, »das ist der Mann, den du mir vorgezogen hast, um dessentwillen du mich verraten hast. Du hast mich nie geliebt, das weiß ich heute, nie hat mir dein Herz gehört. Dabei habe ich dich so abgöttisch geliebt...!
    Trémorel tauchte auf, und du glaubtest, in ihm das Ideal deiner Träume zu sehen. Du bewundertest die Blasiertheit des Lebemannes wie das Kainsmal auf der Stirn des gefallenen Engels. Du hast ihn geliebt, dabei hat er dich nicht einmal wahrgenommen. Du bist mit offenen Augen in dein Unglück gerannt. Und ich glaubte dich so unschuldig wie frischgefallener Schnee. In dir hat ja nicht einmal ein Kampf stattgefunden. Du hast dich verschenkt. Und du hast mir, ohne rot zu werden, noch deine von den Küssen des Geliebten beschmutzte Stirn geboten...« Seine Stimme wurde allmählich schwächer. »Du hast dein Glück in Händen gehalten, Berthe, und du hast es mutwillig zerstört, wie das Kind das Spielzeug zerstört, dessen Wert es nicht kennt. Was erwartest du denn von diesem Elenden, dessentwegen du es auf dich genommen hast, mich nach und nach umzubringen? Schau ihn dir doch an! Ein wimmerndes Bündel...«
    Hector versuchte aufzustehen und zu protestieren. Seine Beine trugen ihn nicht, aus seiner Kehle kam nur ein rauhes und unartikuliertes Gestammel.
    Es war ein Schock für Berthe. Sie fühlte Ekel in sich hochsteigen, als sie Hector derart weinerlich sah. War sie etwa einem Trugbild nachgelaufen? Aber worauf wollte eigentlich Sauvresy hinaus? Welchen Gedanken verfolgte er?
    Â»So also ist unsere Situation«, fuhr letzterer indes fort. »Ihr habt mich getötet, ihr werdet bald frei sein, aber ihr werdet euch hassen, euch gegenseitig verachten...«
    Ein Husten unterbrach seine Worte. Erst nach einiger Zeit gelang es ihm, weiterzusprechen.
    Â»Es sind jetzt zwei Monate her, daß ich die Wahrheit weiß. Alles in mir zerbrach. Ach, wie schwer fiel es mir, zu schweigen, ich wollte nur noch sterben. Aber ein Gedanke richtete mich wieder auf: ich wollte mich rächen. Wenn ich bei Verstand war, dachte ich nur daran. Ich suchte nach einer Sühne, die der Schuld angemessen war. Ich fand keine, nein, mir fiel nichts ein, bis ihr euch vornahmt, mich zu vergiften. An dem Tag, da ich ahnte, daß ihr mir Gift gabt, zitterte ich vor Freude; ich hatte meine Rache.«
    Mit zunehmendem Entsetzen war Berthe seinen Worten gefolgt.
    Â»Warum wolltet ihr meinen Tod?« fragte Sauvresy seine Frau. »Um frei zu sein, um euch zu ehelichen? Nun gut! Genau das will ich auch. Der Comte de Trémorel soll der zweite Gatte der verwitweten Madame Sauvresy werden.«
    Â»Niemals«, ließ sich Hector vernehmen.
    Â»Doch, weil ich es will. Oh, meine Vorkehrungen sind gut getroffen, ihr entkommt mir nicht. Hört selbst: Seit ich sicher war, daß ich vergiftet werden sollte, habe ich begonnen, die Geschichte von uns dreien mit allen Details aufzuschreiben; Stunde um Stunde, Tag für Tag habe ich, um es einmal so zu sagen, das Tagebuch meiner Vergiftung geführt; und auch das Gift, das ihr mir gegeben habt, hob ich auf...« Berthe machte eine Bewegung, die Sauvresy für ein Abstreiten hielt, denn er sagte mit Nachdruck:
    Â»Doch, ich habe es gesammelt, und ich kann euch auch sagen, wie. Jedesmal, wenn mir Berthe den verdächtigen Trunk gab, bewahrte ich einen Schluck davon in meinem Mund auf und spuckte es dann behutsam in eine Flasche, die ich unter meinem Keilkissen versteckte. Ah! Ihr fragt euch, wie ich all diese Sachen tun konnte, ohne daß ihr etwas merktet, ohne daß einer der Dienstboten etwas gesehen hat. Ihr müßt wissen, daß Haß noch viel stärker als Liebe ist, Rache viel erfinderischer als Ehebruch. Ihr könnt sicher sein, daß ich nichts vergessen, nichts dem Zufall

Weitere Kostenlose Bücher