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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Luft herum und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. Die stärkere Berthe jedoch versuchte dagegen anzukämpfen, indem sie sich bemühte, die schreckliche Anschuldigung zu entkräften.
    Â»Es geht dir schlechter, meine lieber Clément«, sagte sie, »du hast immer noch dieses entsetzliche Fieber, das mir so große Sorge macht. Du phantasierst...«
    Â»Phantasiere ich tatsächlich?« unterbrach er sie scheinbar erstaunt.
    Â»Ja, mein armer Liebling, was hast du nur für schreckliche Gesichte in deinem Kopf.«
    Er musterte sie erstaunt. Er war wirklich erstaunt über soviel Unverfrorenheit.
    Â»Was denn! Wir, deine besten Freunde, ich, deine...«
    Der wutentbrannte Blick ihres Mannes zwang sie innezuhalten.
    Â»Genug gelogen, Berthe, laß es endlich sein, es ist zwecklos«, erwiderte Sauvresy. »Nein, ich habe nicht geträumt, nein, ich phantasiere nicht. Dieses Gift ist nur zu wirklich, und ich kann es dir nennen, ohne daß du es aus deiner Tasche holen mußt.«
    Sie wich zurück, als hätte ihr Mann tatsächlich die Hand ausgestreckt, um das Fläschchen an sich zu reißen.
    Â»Ich habe es geahnt und war mir von Anfang an darüber im klaren, daß ihr ein Gift gewählt habt, das keine Spuren hinterläßt, in der Tat, aber dessen Symptome eindeutig sind. Erinnert ihr euch an den Tag, da ich mich über einen Geschmack nach Pfeffer beklagte? Am nächsten Tag war ich mir ganz sicher, und ich war nicht der einzige. Auch Doktor R... hatte einen Verdacht.«
    Berthe stammelte einige unzusammenhängende Worte, doch Sauvresy fuhr unbeirrt fort:
    Â»Man erprobt sein Gift, bevor man es anwendet. Ihr seid Narren! Könnt ihr euch überhaupt vorstellen, was es mich gekostet hat, um Doktor R...s Verdacht zu zerstreuen? Ich litt unter wirklichen Schmerzen und mußte mir irgendwelche lächerlichen und absurden Leiden ausdenken. Ich schilderte genau das Gegenteil dessen, was mir weh tat. Ihr wäret verloren gewesen, ich habe euch gerettet.«
    Unter soviel Schlägen geriet Berthes Energie ins Wanken. Sie fragte sich, ob sie nicht vielleicht verrückt geworden sei. Hatte sie richtig gehört? Hatte ihr Mann tatsächlich gesagt, daß er spürte, wie man ihn vergiften wollte, und selbst den Arzt in die Irre geführt? Weshalb? Zu welchem Zweck? Sauvresy schwieg erschöpft. Er brauchte einige Minuten, bevor er weitersprechen konnte.
    Â»Ich habe geschwiegen, ich habe euch gerettet, weil ich mit meinem Leben abgeschlossen hatte. Ja, mein Herz war tot an dem Tag, als ich erfuhr, daß ihr mich betrogen habt. Ich wollte, ich konnte es zunächst nicht glauben. Ich zweifelte viel mehr an meinen Sinnen als an euch. Doch schließlich mußte ich mich der Tatsache fügen. Ich war in meinem eigenen Haus nur mehr ein Popanz. Doch ihr brauchtet noch mehr Freizügigkeit für eure Liebelei. Ihr wart es leid, heucheln und euch verbergen zu müssen. Und so habt ihr gedacht, mein Tod würde euch frei und reich machen. Und habt Gift besorgt, um mich aus dem Weg zu räumen.«
    Da alles entdeckt war, ließ Berthe die Maske fallen. Sie versuchte, ihren Komplizen zu decken, der noch immer wie ein Häufchen Unglück in seinem Sessel hockte.
    Â»Ich allein war es!« schrie sie. »Er ist unschuldig.«
    Sauvresys bleiches Gesicht wurde rotfleckig vor Wut.
    Â»Ach wirklich«, entgegnete er, »mein Freund Hector ist unschuldig! War nicht er es, der mir zum Dank dafür, daß ich ihm seine Ehre rettete, meine Frau nahm? Dieser Wicht! Ich reiche ihm die Hand, als ihm das Wasser bis zum Halse steht, ich nehme ihn auf wie einen geliebten Bruder, und er vergilt es mit einem Ehebruch..., aber nicht etwa einem Ehebruch, bei dem man als Entschuldigung sinnliche Leidenschaft oder gar Liebe ins Feld führen kann, nein, sondern den stickigen bürgerlichen Ehebruch, unwürdig und erniedrigend...
    Und du wußtest genau, was du tatest, mein lieber Freund Hector, du wußtest – und ich habe es dir mehr als einmal gesagt –, daß meine Frau alles für mich war – Gegenwart und Zukunft, Traum und Wirklichkeit, Glück, Hoffnung, kurz: mein Leben. Du wußtest, wenn ich sie verliere, so würde das mein Tod sein.
    Wenn du sie wenigstens geliebt hättest! Aber nein, du hast sie ja gar nicht geliebt. Du hast mich nur gehaßt! Der Neid hat dich zerfressen, aber du konntest mir ja nicht offen ins Gesicht

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