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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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überlassen habe.«
    Hector und Berthe starrten Sauvresy entgeistert an. Sie bemühten sich zu begreifen, sie begriffen nichts.
    Â»Kommen wir zum Schluß«, flüsterte der Sterbende, »meine Kräfte sind bald erschöpft. Nun, heute morgen habe ich diese Flasche mit dem Gift und den Bericht über meine Vergiftung einem verläßlichen und ergebenen Menschen übergeben, den zu korrumpieren euch nicht gelingen dürfte, selbst wenn ihr ihn ausfindig macht. Keine Sorge, er weiß nichts über den Inhalt des Berichts. Am Tag eurer Hochzeit wird euch dieser Mann alles übergeben. Wenn ihr jedoch, von heute an gerechnet, in einem Jahr nicht verheiratet seid, hat er Anweisung, die in seinem Besitz befindlichen Dinge dem kaiserlichen Staatsanwalt zu übergeben.«
    Ein doppelter Aufschrei bewies Sauvresy, daß er seine Rache wohl überlegt hatte.
    Â»Und denkt daran«, fügte er noch hinzu, »wenn das Paket der Justiz übergeben wird, so heißt das für euch das Bagno, wenn nicht gar das Schafott.«
    Sauvresy war am Ende mit seinen Kräften. Er fiel hintenüber in die Kissen, der Mund stand halb offen, die Augen erloschen, die Gesichtszüge waren so verzerrt, daß man hätte glauben können, es ginge mit ihm zu Ende.
    Aber weder Berthe noch Trémorel dachten daran, ihm zu helfen. Sie standen einander gegenüber, starrten stumpfsinnig vor sich hin, als wären ihre Gedanken gerade dabei, sich auszumalen, was die Zukunft durch den unversöhnlichen Willen des verletzten Mannes für sie bereithielt. Sie waren jetzt untrennbar aneinandergekettet, und die einzige Erlösung war der Tod. Es war eine Kette aus Schande und Verbrechen, deren erstes Glied eine Umarmung und deren letztes ein Fläschchen mit Gift war.
    Jetzt konnte Sauvresy sterben, seine Rache hing wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen. Nach außen hin frei, würde ihr weiteres Leben durch die Last der Vergangenheit jedoch schlimmer als das der rechtlosesten Sklaven sein. Wenigstens eine Viertelstunde herrschte lähmendes Schweigen. Endlich ließen die Zuckungen nach, die Sauvresy plagten, er atmete, er sprach weiter.
    Â»Ich habe noch nicht alles gesagt...«, begann er. Seine Stimme war nur mehr ein Gemurmel, und dennoch deuchte sie den Giftmischern wie die Posaunen von Jericho.
    Â»Ihr werdet gleich sehen, daß ich alles berechnet, alles vorausgesehen habe. Wenn ich tot sein sollte, würde euch vielleicht der Gedanke kommen, zu fliehen, im Ausland zu leben. Das werde ich nicht erlauben. Ihr müßt in Orcival, auf Valfeuillu, bleiben. Ein Freund – nicht der, dem ich das Dossier übergeben habe, ein anderer – ist beauftragt, euch zu überwachen, ohne den Grund zu kennen. Falls einer von euch fliehen sollte, hat mein Gewährsmann Auftrag, die Akten dem kaiserlichen Staatsanwalt zu übergeben.«
    Ja, er hatte an alles gedacht, und Trémorel, der bereits diese Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte, war einmal mehr bestürzt.
    Â»Ich habe übrigens Vorsorge getroffen, daß dieser Wunsch nach Flucht nicht allzu stark ist«, fuhr Sauvresy fort. »Ich hinterlasse mein ganzes Vermögen Berthe, das ist richtig, aber ich überlasse es ihr nur zum Nießbrauch. Der Grundbesitz wird ihr erst am Tage eurer Hochzeit gehören.« Berthe machte eine Bewegung des Abscheus, die ihr Mann falsch verstand. Er glaubte, daß sie an die Kopie dachte, der er einige Zeilen hinzugefügt hatte.
    Â»Du denkst an die Kopie des Testaments«, sagte er. »Die Kopie ist wertlos, genau wie die Worte von mir; ich wollte nur deinen Verdacht einschläfern. Mein richtiges Testament«, und er betonte dabei das Wort richtig, »ist bei dem Notar von Orcival hinterlegt. Es ist erst vor zwei Tagen aufgesetzt worden. Ich werde euch den Wortlaut der Klausel vorlesen.«
    Er zog aus einer Brieftasche, die genau wie der Revolver unter dem Kopfkissen lag, ein Blatt Papier hervor und las: ›Von einer Krankheit befallen, von der ich weiß, daß sie unheilbar ist, lege ich hiermit aus freien Stücken und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte meinen Letzten Willen fest. Mein sehnlichster Wunsch ist, daß meine über alles geliebte Witwe, Berthe, nach Ablauf des gesetzlich vorgeschriebenen Trauerjahres meinen besten Freund, den Comte Hector de Trémorel, heiratet. Da ich die Seelengröße und den Gefühlsreichtum meiner Frau

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