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Das verdrehte Leben der Amélie, 3: Sommerliebe (German Edition)

Das verdrehte Leben der Amélie, 3: Sommerliebe (German Edition)

Titel: Das verdrehte Leben der Amélie, 3: Sommerliebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Desjardins
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ein völlig neuer Mensch sein, wenn die Schule wieder anfängt. Monsieur Beaulieu wird mich nicht wiedererkennen! Er wird sich noch beklagen, dass ich nicht mehr so oft in sein Büro geschickt werde.
    Vermerk an mich selbst: Nicht vergessen: Vor Ende des Monats an die Schule zu denken schadet meinem seelischen Gleichgewicht.

Samstag, 29. Juli
    T am Tam Tam Tam Tam Tam Tam Tam Taaa taaa taaa taaa taaa taaa taaa taaa …
    Ich begutachte mich im Badezimmerspiegel und trällere dabei den Hochzeitsmarsch. Sybil leckt meine Waden (das macht sie immer, wenn ich mich frisch rasiert habe).
    Gestern haben meine Großmutter und ich ein Kleid für die Hochzeit gekauft.
    Meine Großmutter kommt rein und zupft mir ein paar (unsichtbare, wenn man mich fragt) Fussel vom Kleid.
    GM: »Was singst du?«
    Ich: »Na, den Hochzeitsmarsch, was denkst du denn!«
    GM: »Der Hochzeitsmarsch geht so: Tatamtatam, talatataaaaaaaaaam, tatatatatatatatatltataaaaaaam. Du singst den ›Kanon‹ von Pechelbel.«
    Ich: »Warum fragst du dann, was ich singe, wenn du es weißt? Außerdem hängt das von der Hochzeit ab. Im Film ist es ganz oft der Kanon von diesem Dingsda.«
    GM: »Pechelbel.«
    Ich: »Du sagst es. Also, sehe ich jetzt gut aus oder wirst du nachher am Fenster über mich lachen?«
    GM: »Ich werde stolz auf dich sein!«
    Ich: »Aaaach! Hör auf! Lach besser nicht! Ich fühle mich blöd, so angezogen.«
    Während ich mich betrachte, stelle ich fest, dass ich auch nicht besser bin als die ganzen Hochzeitsgäste, über die ich in den letzten Wochen gelacht habe. Meine Großmutter und ich haben nichts anderes finden können als ein türkisfarbenes Organsinkleid. (O.k., meine Großmutter hat mir gesagt, dass es Organsin ist, ich wusste nicht mal, dass dieses Wort existiert. Erst dachte ich, sie macht Witze. Das ist eine Art Seide. So. Ich habe dieses Kleid statt eines anderen, schöneren genommen, weil das andere echt zu teuer war. Meine Großmutter hat zwar gesagt, es wäre ihr eine Freude, es mir zu schenken, aber ich fand das zu teuer für ein Kleid, das ich nur einmal anziehe.
    Mich stört an dem Kleid ein bisschen, dass es trägerlos ist. Da meine Brüste echt ziemlich klein sind, denke ich die ganze Zeit, dass das Oberteil runterrutscht.
    GM: »Du siehst toll aus, meine Große! Ich werde dir auf der Treppe vor der Kirche zusehen!«
    Und das stört mich ja gerade.
    10:15
    Gabriel klingelt. Ich habe die Szene mit meiner Großmutter einstudiert. Da die Treppe genau gegenüber der Eingangstür ist, tut sie so, als wäre ich noch nicht fertig, sie lässt ihn rein und dann komme ich eine Minute später die Treppe runtergeschwebt und er sieht mich (so wie in dem Film She’s All That , heißt auf deutsch Eine wie Keine . Wuhuuuu!).
    10:16
    Ich schwebe die Treppe runter.
    10:18
    Ich verlasse das Haus etwas enttäuscht. Gabriel hat überhaupt nicht so reagiert wie Freddie Prinze Jr in She’s All That . Er hat mir keine bewundernden Blicke zugeworfen. Er hat bloß gesagt: »Hey, cooles Kleid!« (Etwa so als würde er sagen: »Hey, cooles Skateboard!«) Nicht, dass ich unbedingt will, dass er mich anhimmelt. Ich finde nur, es ist das Mindeste, einem Mädchen etwas Interesse entgegenzubringen, das Zeit in seinen Look gesteckt hat. Und Geld. Und das alles für die Hochzeit seiner Cousine, die ich noch nicht mal kenne! Also echt, oder? Pffff!
    To do: Noch mehr Landluft atmen. Es scheint meinen Gehirnzellen echt gutzutun und macht mich sehr überzeugend, wenn ich etwas überzeugend darstellen will, und sei es nur in meinem Kopf.
    10:21
    Wir steigen die Stufen zur Kirche hoch. Ich drehe mich zum Haus meiner Großmutter um und lächele. Ich ziehe mein Oberteil hoch, um sicherzugehen, dass es an seinem Platz bleibt.
    10:25
    Gabriel stellt mir Paul-Émile Bégin vor. Ich beuge mich etwas vor und seine Krawatte, obwohl sie alt und abgewetzt ist, riecht in der Tat sehr gut. Ich drehe mich diskret zum Haus meiner Großmutter und hebe den Daumen als Zeichen, dass sie recht hatte.
    10:35
    Gabriel wurde von seinen Cousins überfallen (es sind mindestens zehn) und ich stehe etwas unbeholfen alleine herum. Ich versuche zu lächeln, aber niemand spricht mit mir. Ich hasse solche Situationen, in denen ich alleine unter Leuten bin, die sich alle kennen. Ich sehe zum Haus meiner Großmutter hinüber und schirme mit der Hand die Augen ab. Obwohl die Sonne sich in der Fensterscheibe spiegelt, glaube ich, ihre Hand zu erkennen. Ich fange an, ihr Grimassen zu schneiden.

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