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Das verdrehte Leben der Amélie

Das verdrehte Leben der Amélie

Titel: Das verdrehte Leben der Amélie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Desjardins
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geantwortet: »Mehl, Wasser, ein Ei, etwas »Backpulfer« und Vanillezucker, und ich backe sie mit Margarine.« Eigentlich völlig unwichtig, aber meine Großmutter sagt »Pulfer« und nicht »Pulver«. Nichts ist einfacher als »Pulver« zu sagen, aber meine Großmutter kann es nicht. Ich weiß nicht warum. Aber jedes Mal, wenn sie »Pulfer« sagt, frustriert mich das total.
    Mittags
    Meine Pfannkuchen-Euphorie wäre beinahe durch die Frage meiner Großmutter verdorben worden, die sie mir jedes Mal stellt, wenn wir uns sehen. »Amélie, hast dunicht deinen kleinen Schatz mitgebracht?« (Mit einer Großmutterstimme klingt diese Frage noch schrecklicher).
    Also erstens, warum sagt sie immer » kleiner Schatz«? Meint sie etwa, dass ich eine lange Bohnenstange bin (was stimmt), die es nicht schafft, einen Freund zu finden, der größer ist als sie (völliger Blödsinn!)? Oder ist sie der Ansicht, dass ein Teenager wie ich keine GROSSE ernsthafte Liebesgeschichte erleben kann, sondern nur eine kleine ohne Bedeutung?
    Meine Großeltern Charbonneau, die Eltern meiner Mutter, haben keinen Kontakt zu meiner Großmutter Laflamme. Trotzdem stellen sie mir auch immer diese Frage. Ich habe meine Mutter gebeten, ihnen mitzuteilen, dass sie mich nicht immer darauf ansprechen sollen. Wenn ich jemals einen Schatz haben sollte (groß oder klein), sind sie bestimmt nicht diejenigen, denen ich davon erzähle. Aber meine Mutter hat gesagt, ich soll mich nicht so anstellen. Null Solidarität!
    14:17
    Ich sterbe vor Langeweile! Im Fernsehen lief nur ein Film, den ich schon kannte, aber selbst der war noch interessanter als das Gespräch zwischen meiner Mutter und meiner Großmutter. Also habe ich den Ton lauter gestellt, um statt ihres Dialogs den im Film hören zu können. Aber meine Mutter hat verlangt, ich solle den Fernseher leiser stellen. Sie hat gesagt, ich zitiere:
    »Mach den Ton leiser! Man kann ja sein eigenes Wort nicht mehr verstehen!«
    Genau das war ja auch mein Ziel.
    Aber das habe ich nicht gesagt.
    Also musste ich mir anstelle des Films ihr Gespräch anhören:
    Großmutter: »Womit machst du denn jetzt deine Tartes, seitdem man weiß, dass man kein Bratfett nehmen soll?«
    Meine Mutter: »Ich habe nicht wirklich die Zeit, um Tartes zu backen.«
    Großmutter: »Sie sagen, man soll stattdessen Butter nehmen ...«
    Meine Mutter: »Ach ja?«
    Großmutter: »Mit Butter wird das natürlich viel teurer als mit Bratfett.«
    Meine Mutter: »Du kannst deine Tartes ruhig weiter mit Bratfett machen, ich glaube nicht, dass das was ausmacht.«
    Großmutter: »Du hast recht, wenn ich trotz Bratfett so alt geworden bin, kann ich es wohl auch weiterhin nehmen.«
    Ich weiß echt nicht, warum meine Mutter mich zwingt, mit zu meiner Großmutter zu kommen.
Meine Großmutter wohnt am anderen Ende der Welt! (Eine Stunde mit dem Auto)
Wenn wir von ihr nach Hause kommen, rieche ich komisch. (Das stimmt wirklich, ich weiß zwar nicht warum, aber es ist so. Eine Mischung aus Zigaretten und ... jetzt hab ich’s, Bratfett!)
Wegen des Geruchs muss ich zum zweiten Mal heute duschen. Total nervig! Ich rieche zwar gerne gut, aber ich hasse es, mir zweimal am Tag die Haare waschen zu müssen!
Die Gespräche meiner Mutter und meiner Großmutter gehen mir extrem auf den Wecker!
    19:21
    Im Auto verkünde ich meiner Mutter, dass ich in Zukunft nicht mehr mit zu meiner Großmutter kommen will. Meine Mutter erwidert, ich sei sehr gefühllos. Schließlich sei ich die einzige Person, die meine Großmutter an ihren Sohn erinnern könne. Also an meinen Vater.
    19:45
    Darauf entgegne ich nichts. Dieses Argument hat mir die Sprache verschlagen.
    20:00
    Während der Fahrt betrachte ich die Sterne am Himmel. Und frage mich, wo in dieser Unendlichkeit mein Vater wohl sein mag.
    21. Januar
(und die darauffolgenden Tage), fünf Jahre zuvor
    I ch weiß noch, an dem Tag, an dem ich erfuhr, dass ich meinen Vater nie wieder sehen würde, war es superkalt. Die Art Kälte, die einem bis in die Knochen kriecht. Es ging alles sehr schnell. Morgens verließ mein Vater das Haus und alles schien in Ordnung zu sein, und abends war er nicht mehr da. Tot. Lungenembolie. Er hatte nicht geraucht und war kerngesund gewesen. Die Ärzte wissen nicht, was der Grund war. Es ist einfach ... passiert.
    Es tat so weh. Unglaublich weh. Ich erinnere mich nicht mal mehr, ob ich mich an diesem Tag von ihm verabschiedet hatte. Ich erinnere mich nicht, ob ich ihm oft genug »Ich hab dich lieb«

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