Das verflixte 4. Schuljahr
das Fass zum Überlaufen bringt. Damit ist niemandem geholfen. Sprechen Sie also das an, was Sie bewegt, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem es gerade akut ist. Nehmen Sie sich unbedingt die Zeit dafür, in Ruhe einen Konflikt auszutragen. Auch sollten Sie der Auseinandersetzung Ihre volle Konzentration schenken; ein Streit »zwischen Tür und Angel« oder während der Fernseher läuft, wird sicherlich kein gutes Ende nehmen.
Streit und Auseinandersetzungen gehören zum Leben und sind sogar enorm wichtig für die Persönlichkeitsbildung eines Kindes. Denn wer nicht zu streiten gelernt hat, wird es im späteren Leben schwer haben, Konflikte zu ertragen, auszuleben oder zu lösen.
Beharren Sie nicht zwangsläufig auf Ihren Standpunkt, nur weil Sie der Ältere (und natürlich auch Lebenserfahrenere) sind. Nicht immer gibt es bei einem Konflikt Schwarz oder Weiß, Ja oder Nein, Wahr oder Falsch. Die Lösung liegt oftmals irgendwo dazwischen, im Grau, im Jein, im Vielleicht. Statistisch gesehen ist tatsächlich nur einer von drei Konflikten eindeutig lösbar.
Kompromisse finden
Kompromisse finden lautet also die Devise. Und praktische Erfahrung eine andere. Probieren Sie einen Standpunkt eine gewisse Zeit lang aus (zum Beispiel eine Woche) und entscheiden Sie dann gemeinsam mit Ihrem Kind, ob sich diese Alternative bewährt hat. Wenn sich Ihr Kind also partout nicht darauf einlassen möchte, für die anstehende Klassenarbeit unmittelbar nach dem Mittagessen zu lernen, sagen Sie ihm, dass Sie beide eine einwöchige Testphase vereinbaren, in der Ihr Kind die Aufgaben zu einem späteren Zeitpunkt erledigen kann (aber nicht allzu spät, denn dann kann sich Ihr Kind gar nicht mehr konzentrieren und das Lernen ist für die Katz). Sagen Sie ihm, dass Sie nach Ablauf dieses Zeitraums erneut zusammenkommen, um über die tatsächliche Effektivität dieser Alternative zu sprechen. Hat sie sich auch in Ihren Augen (hier müssen Sie objektiv sein!) bewährt, das heißt, wurden die Aufgaben ohne Murren und Knurren in angemessener Weise und Ordnung erledigt, sollten Sie dies beibehalten. Gibt es allerdings berechtigten Grund zur Beanstandung oder bemerkt Ihr Kind, dass die Idee doch nicht so gut war, kehren Sie zu der von Ihnen bevorzugten Variante zurück.
Bei einem Streit kommt es natürlich auch auf das Alter des Kindes an, denn je nach Entwicklungsstand geht es anders mit einer Auseinandersetzung um. Mit etwa zwei Jahren nimmt sich das Kind zum ersten Mal bewusst als Person wahr. Bis zum Alter von fünf Jahren entdeckt Ihr Kind, dass seine Welt aus Kindern und Erwachsenen besteht. Diese Welt dreht sich ausschließlich um Ihr Kind selbst, es kann noch nicht realisieren, dass andere Menschen einen anderen Blick auf eine Situation haben. Kinder im Grundschulalter haben diese Fähigkeit bereits gelernt, dennoch verfügen sie noch immer über einen eingeschränkten Blick auf ihre persönliche Welt.
Reagieren Sie auf eine Auseinandersetzung nicht pauschal, sondern mit Argumenten, die auf die jeweilige Situation zugeschnitten sind. Manchmal werden Sie von Ihrem Kind zu hören bekommen: »Aber Felix und Jan machen ihre Hausaufgaben auch erst nach dem Fußballspielen.« Zwingen Sie sich in diesem Fall nicht zu antworten: »Aber wenn Felix und Jan aus dem Fenster springen, springst du dann auch hinterher?« Eine solche Antwort führt nicht zu einem friedlichen Ende des Konfliktes, sondern eher zu einer sichtlichen Enttäuschung Ihres Kindes, das sich von Ihnen nicht verstanden und – noch schlimmer – nicht ernst genommen fühlt. Sein Wunsch wurde von Ihnen einfach abgebügelt, anstatt mit Argumenten beigelegt. Erklären Sie Ihrem Kind also vielmehr, warum es gerade Sinn macht, zuerst für die Schule zu lernen und dann zum Spielen nach draußen zu gehen. Zeigen Sie ihm dabei besonders die positiven Begleiterscheinungen auf (zum Beispiel, dass Ihr Kind dann den Kopf völlig frei hat und nicht dauernd an die Erledigung der Hausaufgaben denken muss oder dass es dann eine halbe Stunde länger draußen bleiben darf usw.). Auch wenn Ihnen sachliche Argumente in dem Moment schwerfallen, denn Ihr Kind gibt Ihnen mit einer solchen Aussage ja eindeutig zu verstehen, dass es von Ihnen viel schlechter behandelt wird als andere Kinder in seinem Alter. Sie sehen das natürlich etwas anders.
Haben Sie mehr als ein Kind, erleben Sie beinahe zwangsläufig Rivalität zwischen den Geschwistern. »Warum muss ich immer büffeln, und Michelle kann mit ihren
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