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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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aus Schimmelpilz und Fruchtfliegen geziert wurde, ihren Brustpanzer berühren konnten, schwang sie sich hoch und preschte auf dem schmalen Waldpfad am rumpelnden Karren vorbei, um den weiteren Weg auszukundschaften.
    Hellas hielt mit beiden Händen Seraikella fest, damit der unaufhörlich vibrierende Besinnungslose nicht über die niedrigen Seitenwände von der Ladefläche stürzte. So fuhren sie dahin, durch einen sich im Mondlicht abzeichnenden Gebirgswald, der zweideutig und fragwürdig wie ein Trugbild schien. Erst als Seraikella ruhiger wurde, nach einer Stunde ungefähr, ließ Rodraeg die Maultiere langsamer werden. Sie fuhren noch eine ganze Stunde weiter, fuhren womöglich im Kreis, aber Seraikella blieb ruhig und der Spuk schien vorüber zu sein. Dann versuchten sie es noch einmal mit einer Rast, etwas Schlaf und unruhigen Träumen, durch die Tote schlurften.
    Mit der Morgendämmerung kamen die Fliegen. Zuerst bemerkten sie sie gar nicht, denn diesmal waren die Fleischfliegen nicht im bedrohlichen Schwarm herangesummt. Diesmal saßen sie bereits fett vom Fleisch etlicher Kleintiere zu Hunderten auf Baumrinden, Blättern und Felsen und rührten sich nicht, als warteten sie auf etwas. Aber sie waren überall, wohin sich Rodraeg und die Ritterin auch wandten. Es war, als hätten die Schemenreiter und die Riesen sich aufgelöst zu schwarzen Insekten, vielleicht, weil das Warten auf das Zepter nun doch zu lange gedauert hatte.
    Die allgegenwärtige Bedrohung durch die zahnbewehrten Raubflügler ließ keinen davon unabhängigen Gedanken zu.
    Â»Warum finden uns die Riesen nicht?« beklagte sich Hellas. »Spüren nur die Toten das Zepter, aber nicht diejenigen, für die es bestimmt ist?«
    Die Ritterin schimpfte immer wieder über das Mammut. »Wie kann man nur so nachlässig sein und sich nicht merken, wo diese Höhle liegt?« Rodraeg versuchte immer wieder zu erklären, daß der Schemenreiter, der sie von Mowesch aus abgeholt hatte, sie damals absichtlich in die Irre geführt hatte, aber die Ritterin konnte das nicht nachvollziehen. »Anhand des Bergmassives im Hintergrund, anhand von Bächen und Hanglagen muß man sich doch irgendwie orientieren können!« Sie versuchten es, aber sie scheiterten auch daran, daß sie mit dem Karren dort nicht weiterkamen, wo sie damals zu Fuß unter Führung des berittenen Schemens ausgeschritten waren.
    Um Seraikella stand es schlecht. Der Spuk und die Unruhe der letzten Nacht schienen an seinen restlichen Kräften gezehrt zu haben, als sei es seine Lebensenergie gewesen, an der die Toten sich zum Aufstehen und Umhergehen bereichert hatten.
    Eljazokads Hände umschraubten und streichelten das Zepter. Immer wieder murmelte er den Namen des Alten Königs, bis »Rulkineskar« ihm wie eine vollkommen abstrakte Ansammlung von Silben erschien. Als sie gegen Mittag immer noch nicht wußten, wo sie waren und wohin sie sollten, erhob er sich auf dem Kutschbock, reckte das Zepter beidhändig in die Höhe und versuchte, Magie aus sich durch das Zepter in die Gegend zu strahlen, aber es war so nutzlos, als hätten Rodraeg oder Hellas dies versucht, und er sank wieder in sich zusammen und streichelte weiter den erzenen Stab.
    Die Fleischfliegen blieben die ganze Zeit sichtbar, aber es waren nicht Millionen, die den gesamten Wildbart überwucherten, sondern es war ein Schwarm aus vielleicht tausend, der den Karren begleitete. Beinahe lautlos flogen sie von hinten nach vorne vorüber. Oder vielleicht sprangen sie wie Grashüpfer und ließen sich immer wieder aufs neue überholen. Lauernd. Abwartend. Aus unbeweglichen Facettenaugen starrend.
    Der Karren fuhr hilflos umher und fand kein Ziel, weil es vielleicht kein Ziel mehr gab. Rodraeg befürchtete das Schlimmste. Der Grund, weshalb Bestar in den Wildbart geholt worden war: ein Ringen der Riesen mit Schemenreitern und Haarjägern. Mit den Tsekoh und dem im Osten wachsenden Heer der Heugabelmänner. Mit Fängermagiern, Bodenschatzausbeutern und der Königin mit ihren halbzerschlagenen Feldzugtruppen. Die brennenden Wassermühlen des Krieges, die sie in den Visionen der Höhle gesehen hatten. Und übriggeblieben waren nur noch die Fleischfliegen als Aasschmarotzer einer ausgestorbenen menschenähnlichen, aber noch größeren Art.
    Schließlich, zwei Stunden nach dem höchsten Stand der Sonne, geschahen

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