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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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hast?« entgegnete er. »Genausogut hätte man behaupten können: Weil du schön bist. Weil du eine Frau bist. Weil deine Haut sehr hell ist und meine deutlich dunkler. Weil du noch beinahe ein Kind bist und dennoch schon Mutter wirst. Die Unterschiede zwischen dir und mir sind kaum zählbar. Aber glaubst du wirklich, diese Unterschiede gibt es zwischen Menschen nicht ? Glaubst du, wir sind gleich, weil wir Menschen sind, und ihr seid gleich, weil ihr keine seid? Nein, Naenn. Du bist wie Riban, und der ist ein Mensch. Ihr denkt immer, ihr müßt mich an der Hand nehmen und mir zeigen, wie man sieht. Aber damit meint ihr es zu gut, denn: Danke schön – ich sehe und denke schon ganz ordentlich mit meinem eigenen Kopf.«
    Sie schwieg und senkte den Blick.
    Â»Als das Wort Wildbart fiel«, fuhr er fort, »habe ich auch gleich an die Riesen gedacht, die dort angeblich leben sollen. Nichts anderes Außergewöhnliches ist mir über den Wildbart bekannt. Übrigens haben wir auf der Reise nach Wandry das Tor zur Höhle des Alten Königs in der Nähe von Tyrngan besichtigt und uns schon Gedanken über Riesen gemacht. Ich traue es dem Kreis ohne weiteres zu, daß er uns zu den Riesen schickt, nachdem wir eines ihrer Heiligtümer besuchten und bestaunten. Riban weiß alles, was wir tun. Er lehrt uns, be lehrt uns und führt uns. Bleib auf meiner Seite, Naenn. Der Seite der Schüler, nicht der Lehrer.«
    Â»Ich hätte nicht mit dir … hierherkommen dürfen. Ich schäme mich nun sehr.«
    Â»Du brauchst dich nicht zu schämen. Deine Flügel sind wunderschön. Du hast mir ein großes Geschenk gemacht, als du sie mir gezeigt hast.«
    Â»Was ist nur mit mir los? Ich hätte Lust … mich dir ganz zu zeigen …«
    Â»Das müssen die ätherischen Öle im Wasser sein. Sie steigen uns beiden zu Kopf. Komm jetzt, so langsam bekommt meine Lunge doch wieder zu viel zu tun. Ich muß Luft schnappen gehen. Du machst mir das Atmen nicht gerade leichter.«
    Sie entschuldigte sich hundertmal bei ihm, während sie sich – durch eine dunkle Flechtholzwand voneinander abgeschirmt – abtrockneten und ankleideten, doch er nahm alle Schuld auf sich, auf seine Krankheit und auf seine Eigensucht.
    Er wußte nun, daß er einen Fehler gemacht hatte, sie hierherzubringen. Die Naenn von Kuellen, das unnahbare Ideal, existierte nicht mehr. An ihre Stelle war eine aufgewühlte junge Frau getreten, die nach ihrer Identität suchte zwischen Völkern, Orten und Einzelpersonen. Er hätte sie nicht in dieses warme, lösende Wasser schwatzen dürfen, aber andererseits wurde ihm auch klar, daß es ihm wohl niemals möglich sein würde, diesen Fehler aufrichtig zu bereuen.
    Alins Haldemuel war inzwischen am Haus gewesen und hatte Cajin verkündet, daß sie morgen vormittag in der zehnten Stunde für elf Taler auf einem Boot namens Kalme unter Kapitän Kliword Nönga Richtung Uderun ablegen könnten. Cajin hatte im Namen des Mammuts zugesagt.
    Hellas hatte sich bei Teff Baitz und seiner Frau Lerte drei neue Wurfmesser und vierzig neue Pfeile gekauft und war im Abendlicht der Waidmänner vor die Mauern Warchaims gegangen, um auf Vogelscheuchen und Heuballen zu schießen. Eljazokad hatte er unterwegs verloren – dem Magier war das Fachsimpeln um Pfeilschaftholz und Federauftrieb zu langweilig geworden, und er streifte alleine durch die Stadt, bestaunte die zehn Tempel, den Marktplatz und das Haus der Siechen und Kranken, in dem er sich von einer Heleleschwester auch herumführen ließ. Eine halbe Stunde saß er in einem sonnigen Innenhof neben geistig Verwirrten auf einer Bank und sah gelbbäuchigen Meisen beim Körnerpicken zu.
    Bestar probierte währenddessen unterschiedliche Kaschemmen durch und wurde am späten Abend im Würfelbecher unweit der Stadtmitte Zeuge eines denkwürdigen Kampfes der beiden Männer, die als Warchaims Stärkste galten. Teff Baitz kehrte dort ein, nachdem er sein Geschäft für heute geschlossen hatte, und stellte sich seinem alten Rivalen Ulric dem Schmied zum Armdrücken. Schon vorher war den ganzen Abend über gedrückt und gewettet worden, Bestar hatte ein wenig Geld gewonnen, weil er auf sich selbst setzte und ein paar Warchaimern beinahe die Unterarme aus den Gelenken hebelte. Aber um Ulrics Tisch wurde immer ein großer Bogen gemacht, obwohl es

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