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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Knochen.«
    Â»Aber ist das denn gut für deinen Husten?«
    Â»Rauch ist schlecht. Heißer Dampf ist herrlich.«
    Â»Dann mach das doch. Sei vorsichtig und gib auf dich acht, damit du nicht im Wasser einen Anfall bekommst.«
    Â»Du mußt mitkommen und auf mich aufpassen.«
    Â»Was? Nein!«
    Â»Du wolltest mich doch behüten. Wie kannst du da also fernbleiben, wenn ich mich so sehr in Gefahr begebe?«
    Â»Aber wie stellst du dir das denn vor? Wir können ohnehin nicht zusammen baden. Männer und Frauen sind doch sicherlich getrennt voneinander.«
    Â»Wir können uns doch wenigstens erkundigen.«
    Tatsächlich stellte sich heraus, daß die allgemeinen Badehausbereiche nach Geschlechtern unterteilt waren, aber Paare, die sich »im von den Göttern gesegneten Stand der Ehe« befanden, konnten eine gemeinsame Bottichkammer mieten. Rodraeg sagte frech, daß sie selbstverständlich verheiratet wären, und die streng gescheitelte Empfangsdame glaubte es ihnen, weil Naenn so schamhaft war.
    Also teilten sie sich einen großen Bottich voll mit warmem Wasser, milden Ölen und duftspendenden Essenzen. Naenn war beim Baden von den Achseln bis zu den Knöcheln in ein weißes Tuch gehüllt, Rodraeg trug lediglich einen Lendenwickel. Aber sie teilten sich die Nähe, und wenn Rodraeg die Augen schloß, konnte er sich vorstellen, daß die Wärme, die ihn umschmeichelte, die ihre war, und der Dampf, der ihn umhüllte, ihr Atem. Sie war so verwirrend körperlich, daß alle Zeiten und Geschichten ihre Bedeutungen vertauschten.
    Sie wies ihn an, ruhiger zu atmen, und übergoß ihn mit frischem Wasser.
    Sie ließ sich von ihm das Haar waschen und die Kopfhaut massieren.
    Er atmete ruhiger.
    Â»Siehst du?« sagte er. »Keine Anfälle. Mein Körper fühlt sich schwerelos an, und meine Lunge hat nur wenig zu tun.«
    Dann, ohne Vorwarnung, mit einer langsamen Bewegung, löste sie ihr Tuch ein wenig, so daß es ihr Dekolleté zwar immer noch bedeckte, aber ihre Flügel freigab. Über die Schulter hinweg blickte sie Rodraeg an und hauchte: »Vergiß nie, daß ich nicht menschlich bin. Schau hin und versuche zu verstehen, weshalb man mich haßt.«
    Sie waren nicht verkümmert oder unterentwickelt. Sie saßen an Naenns Schulterblättern, hatten die vollendete Form von Schmetterlingsflügeln, mehrgeteilt und durchschimmernd, sie waren in sich faltbar, von einem matten, verletzlichen Rot mit himmelblau durchwirkten Rändern, und sie waren lediglich viel zu klein, als daß ein Wesen von der Größe eines Menschen damit hätte fliegen können. Jede der beiden zarten Schwingen hatte die Größe einer gespreizten Hand.
    Rodraeg begriff, daß selbst Ryot Melron ihre Flügel höchstwahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen hatte. Diese Flügel zu berühren, sie von einem Mann berühren zu lassen, kam einem Ewigkeitsversprechen gleich.
    Er war außerstande, sich zu regen, auch, weil der umherwabernde Dampf das Ganze fast zur Unwirklichkeit verklärte. Naenn schlug ihr Tuch wieder hoch und hielt so die Farbigkeit im Zaum.
    Verwundert stellte Rodraeg fest, daß er ein wenig wütend auf sie war, weil sie so berechnend mit ihm kokettierte. Weil sie ihm offensichtliche Schönheit zeigte und gleichzeitig behauptete, dies sei ein Grund zur Abscheu. Das war ein sehr plumpes Spiel, und von Naenn hatte er immer so viel mehr erwartet. Aber andererseits – und dieser Gedanke zerstreute seine Wut – war sie noch unglaublich jung. Wie konnte man von ihr verlangen, sich nicht ausprobieren zu wollen, die eigene Wirkung nicht an hilflos zappelnden Männern zu testen? Er selbst war kaum anders gewesen in ihrem Alter, und er war niemals so eine herausragende Erscheinung gewesen wie sie.
    Â»Verzeih mir«, sagte sie jedoch zu seiner Überraschung. »Ich wollte nicht … unverschämt sein. Es gab einen Grund, weshalb ich dir das jetzt zeigen mußte. Ich vermute nämlich schon seit Tagen, daß es keine andere Erklärung für Gerimmirs Brief und seinen Gruß aus dem Wildbart gibt, als daß er uns mit Riesen zusammenführen möchte. Und ich wollte, daß du ein Bewußtsein bekommst für die Andersartigkeit der nichtmenschlichen Völker. Mögen wir auch noch so vertraut erscheinen, noch so verständlich – wir sind eben doch anders.«
    Â»Weil du Flügel

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