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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Bestar durchaus in den Fingern juckte, gegen diesen massigen, beinahe fettleibigen Kerl anzutreten. Schließlich erschien Teff Baitz, und man ging zum Hauptkampf des Abends über, der, wie Bestar erfuhr, jede Woche immer wieder aufs neue ausgetragen und entschieden wurde. In der ewigen Liste führte Ulric verhältnismäßig knapp mit 236 zu 216 Siegen. »Dafür hat Teff die schöne Lerte geheiratet und Ulric ging leer aus«, lallte ein Besoffener Bestar ins Ohr.
    Der Kampf war recht kurz, aber das Drumherum war erstaunlich. Erst saßen sich die beiden Kontrahenten lange gegenüber und sahen sich schweigend an, während die Wetteintreiber den Tisch umtanzten und mit Münzen, Zurufen und Notizen jonglierten. Dann wurden zwei silberne Glöckchen auf den Tisch gestellt und mit allerlei Segens- und Bannsprüchen imprägniert. Die Tischplatte wurde gewienert, kein Krümel durfte die Ebenheit beeinträchtigen. Den Kontrahenten wurde Schnaps gereicht, Schnupftabak und Kräuterbrot. Beide aßen, tranken und schnupften schweigend. Anschließend wurde die Tischplatte noch einmal geputzt und diesmal sogar mit einem schnell trocknenden Öl bestrichen. Zwei aus Leder gefertigte schalenförmige Gebilde wurden auf den Tisch gesetzt, in diese stellten die Kontrahenten schließlich kampfbereit ihre Ellenbogen. Eine lange Reihe komplizierter Vorbereitungskommandos wurde vom Wirt intoniert. Dann kehrte mit einem Ruck vollkommene Stille ein. Teff und Ulric drückten und preßten, bis ihnen die Hals- und Schläfenadern deutlich hervortraten, Teffs Hand näherte sich langsam seinem Glöckchen, doch er bog die drohende Niederlage unerbittlich um, zog seinen Arm wieder aufwärts und drückte Ulrics in die andere Richtung, bis dessen Glöckchen als erstes berührt wurde und zart klingelte. Das Ungewöhnliche an dieser Prozedur war, daß normalerweise während eines solchen Kampfes immer geschrien, angefeuert und weitergewettet wurde, aber hier war alles andächtig und still, und nur deshalb konnte man das entscheidende Glöckchen überhaupt hören. Erst nach dem Klingeln brach die Hölle los. Die Kontrahenten trennten sich voneinander, wurden bejubelt, beklatscht, beklopft und mit Ratschlägen und Kampfeinschätzungen überschüttet. Die Tische und der Ausschank wurden wieder freigegeben, Dutzende kleinerer Ulrics und Teffs fanden sich an den Tischen zu Kampfpaarungen zusammen, um es ebenso gut oder besser zu machen. Einer spendierte eine Lokalrunde, Bestar nahm sich gleich zwei Schnäpse vom Tablett herunter und feierte mit den Warchaimern. Teff Baitz hatte auf 236 zu 217 verkürzt.
    Eine halbe Stunde später zog Bestar weiter durch die Nacht. Er hatte keine Lust darauf, gegen schwächere Gegner anzutreten. Vielmehr hatte er einen leuchtenden Plan entwickelt: Da das Mammut noch lange, lange Zeit von Warchaim aus gegen die Ungerechtigkeiten des Kontinents ankämpfen würde, konnte Bestar doch in den Zweikampf mit einsteigen und einen Dreikampf daraus machen. Wenn er die beiden Schmiede Woche für Woche immer wieder besiegte, würde er in jeder Woche zwei Punkte machen, während sie immer nur einen machten. Innerhalb weniger Jahre würde er dann aufgeholt haben und mit seinen Punkten einfach an den beiden vorbeiziehen. Bestar Meckin, der ungekrönte König Warchaims. Der stärkste Mann der Stadt. So, wie es zu sein hatte.
    Sein Weg führte ihn am ummauerten Anwesen des Barons Figelius vorbei. Dort schlief und träumte Meldrid, die er nur ein einziges Mal gesehen hatte, und dennoch wurde er das Gefühl nicht los, daß sie für ihn geschaffen war. Die Frau des stärksten Mannes von Warchaim.
    Da er wußte, daß die übellaunigen Wachen ihn nicht durch eins der Tore lassen würden, sprang er kurz entschlossen in die Höhe, packte die Mauerkrone und zog sich hinauf. Kurz blieb er geduckt an den Speerspitzen hängen, die die Mauerkrone säumten, wartete, ob jemand etwas bemerkt hatte, schaute auch zu den unbemannten Wehrtürmen an den Grundstücksecken, schwang sich dann über die Spitzen und landete im Adelsgarten. Das Plätschern der Springbrunnen war selbst nachts zu hören.
    Bestars Bewegungen waren nicht mehr ganz sicher, deshalb latschte er durch ein paar Beete und näherte sich den Gebäuden. Es gab mindestens zehn Häuser hier drin, der Adelsbezirk war beinahe so umfangreich wie der

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