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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Tempelbezirk auf der anderen Seite der Stadt. Das Schloß des Barons war selbstverständlich das größte, in der Nacht von Fackeln beschienen. Meldrid schlief aber bestimmt nicht im Schloß, sondern in einem der Dienstbotenhäuser. Nur in welchem? Bestar fühlte sich verirrt und huschte in einen Ginsterstrauch, um nicht von zwei Wächtern gesehen zu werden, die plaudernd über einen gewundenen Kiesweg schritten.
    Wie viele Männer der Baron wohl hatte? Es machte den Eindruck einer kleinen Armee. Möglicherweise mehr, als es in dieser Stadt königliche Gardisten gab. War der Baron königintreu oder knirschte er immer noch mit den Zähnen darüber, daß seine Vorfahren die Herrschaft über Warchaim hatten aufgeben müssen, um sich zurückzuziehen in diesen Mauerkäfig des Wohlstands und des Müßiggangs? Nur mit Mühe unterdrückte Bestar den Wunsch, laut Meldrids Namen zu rufen. Auch kam ihm die Idee, ein paar große Kiesel aufzunehmen und ein paar Fenster einzuschmeißen, so wie die Reichen es ja auch beim Mammut gemacht hatten. Ein Felsgruß von Bestar. Damit alles erschrocken durcheinanderlief wie Hühner in Nachthemden und Meldrid zum Vorschein kam, die es zu entführen galt wie eine gefangengehaltene Prinzessin vom Hof des Geisterfürsten.
    Bestar kam nicht mehr weiter, aber irgend etwas mußte er doch hinterlassen. Er hätte Meldrids Namen in einen Baum ritzen können, aber jetzt, wo er beim Mammut war, kam ihm so etwas falsch vor. Naenn würde sich bestimmt schützend vor den Baum stellen. Die schwangere Naenn mit ihrem Kind, das keinen echten Vater hatte und deshalb wohl auch ohne Nachnamen würde zurechtkommen müssen. Anders als er selbst, ein echter Meckin. Bestar spuckte in einen Zierteich. Buntkarpfen glitten neugierig auf die Spucke zu und öffneten und schlossen ihre runden Mäuler, wie sein Vater, als er in seinem Blute lag und starb.
    Müde schlurfte Bestar zur Mauer zurück, lauschte, ob auf der anderen Seite jemand vorüberging, und kletterte hinüber. Dann machte er, daß er nach Hause kam, in sein einsames, aber eigenes Bett.
    Cajin war gerade zur Nachtarbeit zum Hafen aufgebrochen und Rodraeg war noch wach, als Bestar torkelig nach oben schlurfte und sich hinlegte.
    Im Licht einer Öllampe und unter Zuhilfenahme eines ganzen Fläschchens von Nerass’ Kjeerklippenwasser hatte Rodraeg einen Bericht an den Kreis verfaßt, eine zweiseitige Zusammenfassung der Geschehnisse in Wandry und während der Reise dorthin. Auf einer dritten Seite notierte er ein paar allgemeinere Informationen, die das Mammut während seiner Mission in Wandry zusammengetragen hatte: Daß es dort kaum Gardisten gab, daß der Bürgermeister eine Marionette der Königin war und die Stadt in Wirklichkeit von einem Kapitänsrat regiert wurde, daß Wandry die Königin schmierte, damit diese sich aus den andauernden Seestreitigkeiten zwischen Wandry und Skerb heraushielt.
    Nachdem er damit fertig geworden war, begann er einen persönlichen Brief an Riban Leribin.
    Lieber Riban,
    eine alte Freundin von Dir, die Du womöglich schon vergessen hast, gab mir in Wandry einen Hinweis. Es könnte durchaus sein, sagte sie, daß meine Vergiftung künstlich entstanden ist, weil Du mir in Aldava nicht allzuviel zutrautest.
    Nun, was auch immer Deine Beweggründe gewesen sein mögen – es stellt sich heraus, daß diese Vergiftung mich über die Maßen behindert und die Arbeit des Mammuts darunter zu leiden hat. Meine Lebenserwartung

    Er schrieb nicht weiter. Lebenserwartung . Was für ein seltsames Wort.
    Rodraeg hatte um Hilfe bitten wollen, auf dem Boden kriechen vor dem großen Magier, um Naenn, ihr Kind und das immer noch junge Mammut weiterhin unterstützen zu können, aber das kam ihm nun alles peinlich und verwerflich vor.
    Stolz regte sich. Meine Lebenserwartung. Ein Jahr, hatte Nerass ihm prophezeit. Aber war Lebenserwartung nicht auch das, was man sich immer vom Leben erwartet hatte? Eine gewisse Unabhängigkeit. Die Möglichkeit, Situationen nach Kraft und Gewissen beurteilen und bewältigen zu können. Ohne um Hilfe zu flehen. Ohne sich verrechnet und verrannt zu haben. Ohne sich schämen zu müssen. Mit vielleicht sogar so etwas wie Stolz auf das Geleistete.
    Er brauchte sich nicht zu schämen dafür, daß der Götternachfolger Leribin und das instabile Schwarzwachs

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