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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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und auch Naenn schauten anschließend äußerst mißbilligend zu dem Tisch mit den fünf Unruhigen hinüber, an dem man jetzt wieder zankte und zechte.
    Â»Was machen wir jetzt?« fragte Eljazokad.
    Â»Nichts. Wir warten«, antwortete Rodraeg. »Unser Kontaktmann ist noch nicht da, oder findet ihr, daß einer der Anwesenden wie etwas aussieht, das man als Schemenreiter bezeichnen könnte?«
    Â»Wir wissen nicht, wie ein Schemenreiter aussieht«, gab Hellas zu bedenken, »aber ein Reiter wird er ja wohl sein, und ich habe vorm Keiler kein angebundenes Pferd gesehen.«
    Â»Richtig. Er ist noch nicht hier«, bekräftigte Rodraeg. »Aber er wird kommen und uns abholen, und bis dahin warten wir und lassen es uns schmecken.«
    Der Wirt holte seine Tochter aus dem Küchenbereich, um mit ihr zusammen dem Mammut Bier und Kuchen servieren zu können. Zum Kuchen bot er sogar noch frisch geschlagene Sahne an. Hungrig griffen sie zu.
    Täuschte sich Rodraeg, oder hatte das Bier ebenfalls eine leicht rötliche Färbung? Es war dunkel, ohne Zweifel, und der Humpen war undurchsichtig, so daß man ihn nicht gegen das Licht halten konnte, aber das Bier kam ihm rötlich vor. Selbst der Apfelkuchen sah rostig aus, das kam vom aufgestreuten Zimt.
    Â»Rodraeg?« sagte Naenn zaghaft. »Ich bin schwanger – da kann ich keinen Alkohol trinken.«
    Â»Mensch, bin ich ein Trottel. Selbstverständlich nicht.« Naenn hatte in den vier Tagen ihrer Reise überhaupt kein Aufhebens um ihren Zustand gemacht, so daß die anderen es schon beinahe wieder vergessen hatten. Rodraeg mit seiner andauernden Husterei hatte sich unabsichtlich viel mehr in den Vordergrund gedrängt.
    Bestar griff sich Naenns Humpen. »Es wird mir ein Vergnügen sein, einer Dame auszuhelfen.«
    Eljazokad legte ihm die Hand auf den Arm. »Vielleicht wäre es anständiger, Alins einen Humpen zu bringen, weil er auf der anderen Seite der Brücke im Matsch auf uns warten muß, ganz ohne Gasthaus.«
    Â»Das ist eine gute Idee«, überstimmte Rodraeg den murrenden Bestar. Er ging zum Wirt und einigte sich mit ihm darauf, daß sie für zwei Taler Kaution einen Humpen nach draußen »entführen« durften. Eljazokad, dem das Bier nicht schmeckte und der Bestar damit wieder versöhnte, daß er ihm seins abgab, meldete sich freiwillig, um den Humpen zum Kutscher zu bringen.
    Draußen mußte er aufpassen, nicht im Schlamm auszugleiten und das Bier zu verschütten. Die Sonne war annähernd vollständig untergegangen, und alles wirkte fremder und geheimnisvoller als noch vor einer Viertelstunde.
    Erst beim zweiten Hinsehen wurde ihm der Reiter bewußt. Dessen Umrisse schienen nicht klar definiert zu sein, so daß man ihn wie ein Suchbild aus der Umgebung herauslesen mußte, aber als Eljazokad genauer hinsah, gab es keinen Zweifel: Dort stand ein Reiter quer auf dem Weg, der vom Roten Keiler aus weiter ins Gebirge und in die Wälder führte. Das Pferd war dunkel und kräftig und waberte wie Rauch. Der Reiter trug wallende Kleidung und schien vermummt zu sein, aber auch Kopf und Gesicht waren fließend und uneindeutig. Eljazokad hatte den Eindruck, durch Reiter und Pferd hindurch sogar die Stämme einiger Bäume sehen zu können.
    Mit dem Bierhumpen in der Hand kehrte er zum Keiler zurück. Ohne hastige Bewegungen. Durch ein Nicken und ein angedeutetes Winken signalisierte er dem Reiter, daß er ihn gesehen hatte.
    Drinnen stellte er den Humpen vor Bestar ab und berichtete, daß der Schemenreiter draußen warte. Hellas und Rodraeg waren noch bei weitem nicht fertig mit ihrem Kuchen und ihrem Bier, aber Rodraeg entschied, daß sie ihren eigenartigen Kontaktmann wohl besser nicht ungeduldig werden lassen sollten, und so erhoben sich alle, verabschiedeten sich vom Wirt und – deutlich geheuchelt – auch von den fünf Haarhändlern und verließen den Keiler. Hastig hatte immerhin noch Bestar den für Alins bestimmten Humpen ausgetrunken.
    Die Umgegend war jetzt fast vollkommen in Dunkelheit und fahl glimmendes Mondlicht getaucht. Nur einige Wildbartberge leuchteten, weil sich die im fernen Westmeer ertrinkende Sonne an ihren Gipfeln noch festzuhalten suchte. Der Schemenreiter verhielt und wartete. Das Mammut näherte sich ihm als aufgefächerte, offene Formation.
    Â»Das Mammut grüßt dich«, stellte Rodraeg sie vor.

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