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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Strömung des sommerlich flachen Larnus und nahm Fahrt auf. Das Mammut machte es sich unter der Heckplane so gemütlich wie möglich. Bestar verbrachte wieder viel Zeit im Gespräch mit den beiden Pferden, die neben der Kutsche standen. Naenn bereitete aus einfachen Zutaten schmackhafte Speisen zu, jedoch ohne Fleisch, wie Bestar bemängelte. In der Nacht hielten Hellas und der Klippenwälder Wache, mehr aus Gewohnheit als in Erwartung einer echten Bedrohung.
    Am zweiten Tag der Flußreise hakte Hellas seinen Bogen aus und verstaute die Sehne. »Wird bald regnen«, sagte er knapp. »Immer, wenn wir nach Osten reisen, schüttet es.« Tatsächlich zogen am Nachmittag dunkle Wolkenformationen heran, und am Abend prasselte ein Wolkenbruch herab, der den ansonsten ruhigen Fluß aufpeitschte, die Ufer mit grauen Tüchern verhängte und Himmel und Erde so einander anglich, daß man bald nicht mehr unterscheiden konnte, ob das Wasser aus dem Himmel in den Fluß stürzte oder ob der Fluß nach oben hin auslief. Die Mannschaft der Kalme behielt alles unter Kontrolle, mit den Staken stieß man sich mehrmals vom überkrängenden Ufer ab, ohne ins Trudeln zu geraten. Die ganze zweite Nacht hindurch prasselte der Regen auf die Plane. Längst hatten Alins und Bestar die Pferde zu ihnen ins Trockene geholt.
    Naenn genoß die Reise, obwohl sie wegen des Regens nicht an der Reling stehen und das vorübergleitende Land betrachten konnte. Die Luft war dank Wiesen, Feldern, dem Wolkenbruch und dem aufgewühlten Fluß frisch, wasserdurchtränkt und so unstädtisch wie nur möglich. Das Schmetterlingsmädchen atmete, lächelte und hielt sich den Bauch, und das Mammut hielt respektvollen Abstand oder betrachtete sie still. Selbstverständlich gab es getuschelte Gerüchte über den Kindsvater. Bestar stellte Vermutungen an, Alins, nachdem er davon erfahren hatte, ebenfalls. Rodraeg beendete dieses Thema, indem er erklärte, der geheimnisvolle Erzeuger hätte dem Mammut zwei Geschenke gemacht: ein Kind für Naenn und ein unbarmherzig langes Schwert für Rodraeg. Aber von dieser Freigebigkeit einmal abgesehen sei er niemand, dem man nachtrauern müsse. Und nachdem Naenn ihr Einverständnis erteilt hatte, wurde auch der Name Ryot Melron ausgesprochen, aber da dieser Name niemandem etwas sagte, geriet er schon bald wieder in Vergessenheit.
    Am 20. des Sonnenmondes erreichten sie Uderun, eine dunkle, rußige Steinstadt, die lange vor der Vereinigung des Kontinents letztes Bollwerk gegen die Affenmenschen gewesen war, als deren Gebiet noch annähernd doppelt so groß gewesen war wie inzwischen. Schon damals hatte das befestigte Galliko den Affenmenschen in westlicher Richtung die Stirn geboten, Uderun jedoch hatte seine Funktion durch ein systematisches Zurücktreiben der Affenmenschen hinter das Felsenwüstengebirge eingebüßt und wurde seit König Rinwes Zeiten von der Festung Carlyr vertreten, die die breiteste Schlucht der Felsenwüste nach Süden hin abschloß. Uderun war – ähnlich wie Endailon – zu einer Stadt der Militärgerichtsbarkeit und der Gefängnisse geworden. Die Menschen lebten aber immer noch in der Tradition, eines Tages wieder gegen die Affenmenschen gerüstet sein zu müssen, und so hatte Uderun sein hartes und abweisendes Aussehen nie aufgegeben.
    Das Mammut verabschiedete sich von Kapitän Nönga und seiner Mannschaft. Vorsichtig rumpelte die Kutsche über schwarzes Kopfsteinpflaster, zwischen Mauer und Gräben hindurch und hinaus ins offene Land, wo im Osten schon die zerklüfteten Gipfel des Wildbartes an den Wolken zerrten. Die heftigen Regenfälle hatten aufgehört, aber noch immer war der Himmel verhangen, und über dem Wildbart wetterleuchtete es sogar. Der Sonnenmond spottete in diesen Tagen seines Namens.
    Als sie in der einsetzenden Abenddämmerung des 22. Sonnenmondes das Ortsschild mit der Aufschrift »Mowesch« passierten, war immerhin der Himmel aufgeklart und verhieß eine mondbeschienene Nacht. Die Wege waren aufgeweicht und matschig, die Kutsche schlingerte mehr, als daß sie geradeaus fuhr. Die vordersten Ausläufer des Bergmassives hatten hier schon den Boden zu Schründen und Verwerfungen umgeformt – die Bauten Moweschs standen alle auf unterschiedlichen Höhenstufen.
    Obwohl der Ort nur aus etwa dreißig Häusern bestand und deshalb zu

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