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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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die Riesen von damals. Der alte König Rulkineskar. Die Höhle selbst, die das Zepter umschließt. Vielleicht haben auch die Fleischfliegen einen eigenen Willen. Sie mußten prüfen, ob wir überhaupt würdig sind, von ihnen getragen zu werden. Und dann ist da noch das Zepter. Das mächtige, magische Zepter. Vielleicht will es nicht weg von hier. Zumindest nicht in den Händen von Unwürdigen.«
    Â»Ich werde jedenfalls nicht da durchtauchen«, stellte Hellas aufgebracht fest. »Für mich ist es schon entsetzlich genug, unter Millionen Festlitern von Stein in einer Höhle herumzukrauchen – ich werde mich nicht auch noch durch einen engen, wassergefüllten Tunnel zwängen.«
    Â»Hellas«, mühte sich Rodraeg zu erläutern, »es hat gar keinen Sinn, dich dagegen zu stemmen. Was willst du denn sonst machen? Den ganzen Weg zurückklettern? Meistens gab es doch gar keinen anderen Ausgang mehr als den, der uns weiter hineinführte. Ich und die anderen, wir werden nicht umkehren. Wahrscheinlich sind wir ohnehin dem Zepter schon viel näher als dem Eingangstor. Ich kann dich zu nichts zwingen, aber gemeinsam haben wir es auf jeden Fall leichter als alleine.«
    Â»Niemand soll meine Ängste sehen«, sagte Hellas, und er zitterte bei diesen Worten.
    Â»Die Höhle weiß längst alles, was wir in unseren Köpfen mit uns herumtragen. Und von uns dreien braucht keiner bei dir zu sein, wenn du tauchst. Bestar bringt dir das Seil, schwimmt zurück, und dann ziehen wir dich zu dritt so schnell wie möglich durch das Wasser. Abgemacht?«
    Der Bogenschütze ließ sich Zeit mit einer Antwort. Dann rang er sich zu einem »Ich werde es versuchen« durch.
    Rodraeg legte Bestar die Hände auf die Schulter. »Hilf mir«, sagte er mit einem müden Lächeln.
    Bestar half ihm, indem er ihn beim Tauchen mit sich zog. Bestars eigene innere Wunde war beim Schwimmen nicht so zu spüren wie beim Klettern, und tatsächlich ließ ihn der Tunnel bei allen weiteren Tauchgängen mit Erinnerungen an seinen Vater und Migal in Ruhe. Dafür sah er diesmal Szenen aus Rodraegs Leben – und selbst mit fest zusammengekniffenen Augen sah er sie noch, er konnte gar nichts dagegen tun. Rodraegs Erinnerungen tränkten ihn wie das Wasser, durch das er schwamm.
    Er sah Rodraeg als Knaben, hübsch und wohlfrisiert, wie er auf einem Ast in einem sehr hohen Baum saß und sich nicht mehr herunterzuklettern getraute, nachdem er so hoch hinaufgestiegen war und immer noch einen Ast höher und noch einen. Er sah Rodraeg mit Anfang dreißig, wie er vor einem der Stadttore Aldavas verhielt und schließlich kehrtmachte. Er sah das Greisenkind, Riban Leribin, böse lachend und Marionettenspielerfäden in den Händen, wie er das Mammut lenkte und manipulierte, damit Terrek und die ganze Umgegend durch das Einleiten von Wasser in die brodelnde Schwarzwachsquelle verheert und verseucht wurden, damit das Sturmhaus des Wandryer Kapitänsrates in die Luft gesprengt werden konnte und damit den Riesen eine altertümliche Waffe überbracht wurde, die sie in die Lage versetzte, einen Krieg gegen die Menschheit zu beginnen, gegen die Tsekoh, zu denen die Menschen schon lange geworden waren. Und Bestar sah Rodraeg selbst, ein aufgedunsenes, Säure schwitzendes und Gift aushauchendes Ungeheuer, in dessen Inneren Schatten loderten wie Flammen in einem Großofen, das sie alle bespuckte und versengte mit ätzenden Worten und das ganz am Ende Naenns neugeborenes Kind tötete mit einem einzigen strahlenden Kuß.
    Dann waren sie hindurch, und Bestar war erschütterter als Rodraeg, denn für Rodraeg waren all diese Bilder nichts Neues gewesen. Er rührte sie jeden Tag in seinem Herzen um und um wie ein Reisgericht, das am Topfboden nicht anbrennen durfte.
    Â»Starker Tobak«, sagte Bestar. »Ich hatte geglaubt, meine größte Angst sei schon ziemlich herbe. Es ging darum, wie Migal meinen Vater getötet hat, um mir das Leben zu retten. Aber bei euch beiden« – er bezog Eljazokad ins Gespräch mit ein – »sind die schlimmsten Ängste noch gar nicht ausgestanden. Ich beneide euch nicht.«
    Â»Migal hat deinen Vater getötet?« erkundigte sich Rodraeg vorsichtig.
    Â»Ja«, bestätigte Bestar leichthin. »Das alte Dreckschwein hatte es tausendfach verdient. Migal war mehr Mann als ich, das macht mir daran wohl am

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