Das Verhaengnis Thriller
nicht brauchte.
Vielleicht war der Junge auch einfach nur einsam.
Jeff setzte sich auf das Fußende des Bettes, seine Hände versanken in den silberblauen Wellen des Überwurfs, aus dem großen ovalen Spiegel in einem Muschelrahmen blickte ihm sein müdes Gesicht entgegen. Rechts auf einer flachen Kommode stand ein rechteckiger Fernseher, dessen leerer Bildschirm die aufgewühlten grünen Gewässer eines tosenden Meeres auf dem Bild über dem Bett spiegelte. Jeff ließ sich zurücksinken und fragte sich, wie und warum er hierhergeraten war.
Er sah auf die Uhr. Fast Viertel nach neun. Es hatte keinen Sinn, jetzt noch ins Krankenhaus zu fahren, entschied er. Die Besuchszeit war garantiert längst vorbei, und außerdem hatte er jetzt nicht die Kraft, vor seine Mutter zu treten. Er fühlte sich ihr nicht gewachsen, selbst in ihrem geschwächten Zustand nicht. Außerdem wusste er nicht einmal, in welchem Krankenhaus sie lag, wie ihm in diesem Moment auffiel. Er hatte einfach angenommen, es würde das circa zehn Blocks entfernte Mercy Hospital sein, doch womöglich lag sie woanders. Er musste Ellie anrufen.
Aber nicht jetzt. Er war einfach zu erschöpft. Er beschloss, seine Schwester gleich am nächsten Morgen anzurufen, und nahm sein Handy aus der Tasche, um nachzusehen, ob neue Nachrichten eingegangen waren. Lachend hörte er Toms empörte Stimme, die wissen wollte, wo zum Henker er steckte. Ich weiß es verdammt noch mal selber nicht, dachte Jeff und ließ das Telefon neben sich aufs Bett fallen.
Er schloss die Augen und spürte, wie die stickige Luft sich über ihn breitete wie eine schwere Decke. Er lauschte dem Ventilator der defekten Klimaanlage, der auf der anderen Seite des Zimmers ohnmächtig vor sich hin surrte.
Sekunden später war er eingeschlafen.
Er träumte, dass er allein über den Holzsteg eines Yachthafens ging, eine Reihe teurer Boote schaukelte auf den Wellen eines nahen Ozeans, Frauen in knappen Bikinis hoben schlanke Sektkelche, während ihre Männer schwere Anker an Bord zogen und die Segel setzten. Über ihm kreiste laut ein Armeehubschrauber, sodass er zunächst gar nicht hörte, dass sie seinen Namen rief. Aber dann stand sie mit einem Mal im Schatten eines hohen Masts: seine Mutter, jung und hinreißend, obwohl er selbst aus der Entfernung ihren leicht vorwurfsvollen Blick erkennen konnte, als habe er sie in irgendeiner Weise enttäuscht. »Jeff«, rief sie aufgeregt und winkte ihm. »Beeil dich. Hierher.«
Und dann lief er auf sie zu, aber egal, wie nahe er ihr kam, war da immer noch ein Boot, an dem er vorbeilaufen, ein Segel, dem er ausweichen musste, und dann noch eins und noch eins. Und dann landete der Hubschrauber, der in der Luft gekreist hatte, plötzlich auf dem Steg, und seine Mutter hüpfte, den Rock über die Knie gerafft, darauf zu und machte Anstalten einzusteigen. »Mom«, rief er laut, aber sie sah ihn nicht an. Im selben Moment tauchte eine Blaskapelle von pickeligen Jungen auf, die auf ihren Trompeten, Posaunen, Hörnern und Flöten eine wilde Version von »The Star-Spangled Banner« bliesen, während seine Mutter neben dem Piloten Platz nahm und schallend lachte, als der Hubschrauber abhob.
»Mom, warte!«
Sie starrte anklagend auf ihn herab. »Du bist deinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte sie.
Und dann begann der Helikopter immer engere Kreise zu fliegen, und das Lachen seiner Mutter schlug in panisches Kreischen um. Die Nationalhymne wurde lauter und lauter und stieg zum Himmel auf, während der Hubschrauber heftig ins Trudeln geriet. Hilflos musste Jeff zusehen, wie er gegen eine schnell vorüberziehende Wolke krachte und ins Meer stürzte.
Keuchend schreckte er hoch, die Stirn schweißnass. Neben ihm bimmelte weiter beharrlich die Nationalhymne. »Mein Gott«, sagte er, Gebet und Ermahnung zugleich, während er in den Wellen des Überwurfs nach seinem Handy fischte. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten, fragte er sich. Er klappte sein Handy auf. »Hallo«, sagte er benommen, während die letzten Fetzen seines Traumes wie bei schlechtem Empfang abrissen und mit seiner Stimme verhallten.
»Jeff?«
Oder träumte er immer noch?
»Jeff?«, fragte die Stimme noch einmal.
»Suzy?« Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit abzuschütteln.
»Geht es dir gut? Dave hat mir erzählt, was im Fitnessstudio passiert ist. Ich wollte dich schon den ganzen Abend anrufen. Ich fühl mich echt mies.«
»Das musst du nicht. Mir geht es gut.«
»So klingst
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