Das Verhaengnis Thriller
leid. Ich kann einfach nicht.«
»Ist okay«, hörte sie Will leise sagen. Er klang genauso unsicher wie sie. »Ich bin derjenige, der sich bei dir entschuldigen sollte.«
»Nein, ich bin diejenige, die …«
»Du hast gar nichts gemacht.«
»Ich habe versucht, dich zu verführen«, gab sie zu.
»Was glaubst du, warum ich hier reingekommen bin?«, fragte er.
Sie lachten, nicht fröhlich, sondern eher wie zwei, die sich beide ertappt fühlten. »Ich musste mir immer wieder die beiden zusammen vorstellen«, sagte sie, strich sich das Haar aus dem Gesicht und grub ihre langen Fingernägel in die Kopfhaut, als wollte sie das Bild herausreißen.
»Mein Bruder ist ein Idiot«, sagte Will und stand auf.
»Stimmt.«
»Ich schätze, dann haben wir zumindest das gemeinsam.«
»Du bist kein Idiot, Will.«
»Und ich bin nicht mein Bruder«, stellte Will traurig fest.
Du bist besser als er , wollte Kristin sagen, aber bevor sie die Worte aussprechen konnte, war Will schon verschwunden.
Er ging in die Küche und machte sich eine Tasse löslichen Kaffee. Was soll’s? Er würde heute Nacht sowieso nicht schlafen. Will sog den duftenden Dampf durch die Nase ein und legte beide Hände um den billigen Keramikbecher mit dem aufgeprägten rosafarbenen Flamingo, dessen linkisch angewinkeltes Bein den Henkel des Bechers bildete. WELCOME TO MIAMI stand in großen schwarzen Lettern darunter.
WELCOME TO THE WILD ZONE , dachte Will.
ENTER AT YOUR OWN RISK.
Und er hatte sie auf eigene Gefahr betreten, dachte er. Und war in sein eigenes Verderben gerannt.
Will trank einen Schluck Kaffee und verbrannte sich dabei die Zungenspitze. Trotzdem wurde er Kristins Geschmack auf seinen Lippen nicht los. Er trank noch einen Schluck und verbrannte sich vorsätzlich den ganzen Mund. Das geschah ihm recht, weil er so ein Blödmann gewesen war, dachte er, weil er geglaubt hatte, als Ersatzmann für seinen Bruder einspringen zu können. Seinen älteren, besseren Bruder, dachte er bitter. »Was ist bloß mit mir los?«, fragte er laut.
Was ist bloß mit dir los , hatte sein Vater gefragt, als er nach der jämmerlichen Episode mit Amy in Princeton bis zum Ende des Semesters suspendiert wurde. Was ist bloß mit dir los , kam das Echo von seiner Mutter. Was glaubst du, wer du bist, dich so aufzuführen? Dein Bruder?
Keine Chance, dachte Will, kehrte ins Wohnzimmer zurück, schnappte sich die Fernbedienung von dem Couchtisch und ließ sich aufs Sofa fallen. Kristins Zurückweisung hatte ihm ein für alle Mal bewiesen, dass er kein Ersatz für das Original war.
Der Auserwählte, erinnerte er sich mit bitterer Ironie an Jeffs und Toms verächtlichen Spitznamen für ihn als Kind.
Aber wenn er wirklich der Auserwählte war, warum wählten die Frauen dann immer einen anderen?
Einen wie Jeff.
Er zappte durch die Kanäle, bis er einen Film mit Clint Eastwood fand, einen der großartigen alten Spaghetti-Western, in denen Clint, der Mann ohne Namen, in einem mexikanischen Umhang, das Gesicht verwittert, die Augen zusammengekniffen, ohne viele Worte durch eine karge Landschaft streift und einfach alles erschießt, was ihm in die Quere kommt. Will drehte den Fernseher leiser, damit der Lärm der Schießereien Kristin nicht noch mehr behelligte, als er es ohnehin schon getan hatte. Wenig später sah er, wie Clint die Waffe hob, mit einem befriedigten Grinsen direkt auf den Kopf seines Feindes zielte und abdrückte.
Er dachte an Toms Waffe und überlegte, wo Kristin sie versteckt haben könnte. Er fragte sich, wie es war, einen anderen Menschen zu erschießen. Zum Lärm von Kugeln, die ihm um die Ohren pfiffen, schlief er ein.
Kapitel 27
Jeff wachte von dem Geschrei vor seinem Fenster auf.
»Leise!«, rief eine Frau sofort. »Joey, hör auf, deine Schwester zu hauen!«
»Sie hat mich zuerst gehauen!«
»Hab ich nicht. Er lügt.«
»Hört auf, alle beide. Seid still. Die Leute schlafen noch. Und jetzt steigt ein.«
Eine Wagentür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen. Jeff stützte sich auf die Ellbogen und stellte mit einem Blick auf den Radiowecker neben seinem Bett fest, dass es gerade erst sieben war. Er richtete sich auf, strampelte das Laken auf den Boden, wo es neben der Überdecke landete, die er irgendwann im Laufe der Nacht abgestreift hatte, und sah sein Spiegelbild in dem Muschelrahmenspiegel über der Kommode. Ich sehe schrecklich aus, dachte er und wischte sich den Schweiß von der nackten Brust. Die Hitze des neuen Tages mischte
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