Das Verhaengnis Thriller
eine Reihe von Aufzügen neben einer kleinen Geschenkboutique.
»Vielen Dank.« Jeff überlegte, ob er seiner Mutter Blumen oder vielleicht eine Zeitschrift kaufen sollte, und war froh, dass der Laden noch geschlossen hatte, was ihm die Entscheidung abnahm. Er hatte ihr seit seiner Kindheit nichts mehr geschenkt, dachte er und erinnerte sich an das Parfüm, das er ihr einmal zum Geburtstag besorgt hatte. Er hatte monatelang sein Taschengeld gespart, um die hübsche, sternförmige Flasche zu kaufen, doch seine Mutter hatte nur kurz daran geschnuppert und sie dann beiseitegeschoben. »Wahrscheinlich hat sein Vater ihm geholfen, das Zeug auszusuchen«, hatte sie sich später am Abend am Telefon bei einer Freundin beklagt. »Es riecht wie eine seiner Huren.«
»Lass es bleiben«, murmelte er in den Kragen seines schwarzen Hemdes. Nicht jetzt, fuhr er stumm fort. Er hatte nicht den weiten Weg gemacht, um alte Wunden aufzureißen. Weder er noch sie konnten etwas an der Vergangenheit ändern. Es war, wie es war, und das Gute daran war, dass es vorbei war. Ja, seine Mutter hatte Fehler gemacht. Eine Menge Fehler. Und vielleicht hatte sie ihr ganzes Leben lang gebraucht, um zu erkennen, wie falsch, grausam und egoistisch es gewesen war, ihn im Stich zu lassen. Aber jetzt hatte sie es eingesehen, und es tat ihr herzlich leid. Bitte verzeih mir, hörte er sie flehen, und in ihren todgeweihten Augen standen Tränen der Reue. Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt .
Jeff fragte sich, wie er reagieren würde, während er langsam wie durch einen dichten Nebel den Flur hinunterging. Konnte er ihre gebrechliche Hand in seine nehmen, konnte er in ihre flehenden Augen blicken, sie anlügen und ihr sagen, dass er sie trotz allem auch liebte? Konnte er das?
Und wäre es wirklich eine Lüge?
Jeff hielt den Atem an, als könne er so die unangenehme Krankenhausluft ausblenden, den Geruch von Krankheit und Tod, den die Desinfektionsmittel nur mühsam überdeckten. Er betrat den Fahrstuhl und drückte auf den Knopf für den dritten Stock. Ehe die Türen sich wieder schlossen, drängten sich vier weitere Personen in die Kabine, darunter ein junger Mann, dessen Namensschild an seinem weißen Kittel ihn als Dr. Wang auswies. Er sah aus, als wäre er fast noch ein Teenager, dachte Jeff und erinnerte sich daran, dass er als kleiner Junge auch davon geträumt hatte, Arzt zu werden. Vielleicht wenn man ihn ein wenig ermutigt hätte … Oder vielleicht auch nicht, entschied er, als ihm einfiel, dass er auch Feuerwehrmann oder Akrobat hatte werden wollen. Als die Türen des Fahrstuhls sich im dritten Stock öffneten, atmete er aus und hielt sich wie angewiesen rechts, bis er zum Zimmer 314 kam.
Vor der geschlossenen Tür blieb er stehen, blickte den leeren Flur hinunter und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er hätte Ellie anrufen und sich mit ihr verabreden sollen. Dann hätten sie gemeinsam hineingehen können, und er hätte seiner Mutter nicht allein gegenübertreten müssen.
»Sei nicht albern«, flüsterte er. »Sie stirbt, Herrgott noch mal. Sie kann niemandem mehr etwas tun.«
Er atmete tief ein und wieder aus, öffnete die Tür und versuchte eine möglichst ausdruckslose Miene aufzusetzen, als er das Zimmer betrat. »Sie sieht völlig anders aus, als du sie in Erinnerung hast«, hatte Ellie ihm in einem ihrer Anrufe berichtet. »Man erkennt sie kaum wieder. Sie hat so stark abgenommen, und ihre Haut ist beinahe durchsichtig.«
Jeff wappnete sich für den Anblick und konzentrierte sich, während er all seine Kräfte zusammennahm, auf ein Quadrat des Linoleumbodens. Erst nach mehreren weiteren tiefen Atemzügen schaffte er es, den Blick vom Boden zu heben.
Das Bett war leer.
Jeff stand eine Weile reglos da und wusste nicht, was er machen sollte.
Es handelte sich offensichtlich um einen Irrtum. Entweder die Frau an der Information hatte ihm eine falsche Zimmernummer genannt oder er hatte die falsche Tür geöffnet. Aber schon als er in den Flur zurückkehrte, um die Zimmernummer zu überprüfen, und zur Schwesternstation lief, wo er eine hübsche dunkelhäutige Krankenschwester fragte, wo er Diane Rydell finden könne, schon als er die äußerst unwahrscheinliche Möglichkeit erwog, dass Ellie ihre Mutter unter einem anderen Namen angemeldet oder sie in ein anderes Krankenhaus verlegt hatte, wusste er, dass die Information, die man ihm gegeben hatte, korrekt war und kein Fehler vorlag.
»Es tut mir so leid«, erklärte die
Weitere Kostenlose Bücher