Das Verhaengnis Thriller
der Fassade des Gebäudes. Wie viele zwei- und dreistöckige Gebäude in Florida wirkte das Haus eher wie ein Motel: dreißig Wohneinheiten – auf jeder Etage zehn –, alle über einen Außenflur zu erreichen und alle mit Blick auf einen kleinen Swimmingpool im Innenhof. Jeff weiterhin stützend, kramte Kristin in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel, ohne den Dreiviertelmond zu beachten, der zwischen den Palmen hindurchschien. Die großen, majestätischen Palmen ließen alles besser aussehen, dachte sie, als sie die Tür öffnete und Jeff über die Schwelle schob. Sie verdeckten eine Vielzahl von Sünden.
Wenn sie doch bloß das Gleiche für das Innere der Wohnung leisten könnten, dachte sie, als sie das rechteckige Wohnzimmer betrat, das in erster Linie deshalb bemerkenswert war, weil es absolut nichts Bemerkenswertes hatte. Es gab keine anheimelnden Nischen, keine Stuckleisten zur Verzierung der kargen weißen Wände, keine Deckenspots oder dekorativen Details. Sogar das große Panoramafenster, das beinahe die ganze Westfront einnahm, war wenig einladend und blickte bloß auf ein ähnliches Gebäude gegenüber.
Das Mobiliar war nur unwesentlich interessanter. Es bestand aus einem Sofa mit blau-grünem Stoffbezug, das Will zurzeit als Bett diente, einem dunkelblauen Lederhocker, ein paar nicht zueinander passenden Stehlampen, einem Satz weißer ineinandergeschobener Beistelltischchen aus Plastik und einem überdimensionierten Ledersessel, alles eher praktisch als elegant.
Vom Wohnzimmer ging eine überraschend geräumige Küche mit Essplatz ab, ein kleiner Flur führte vom Wohnbereich zum Schlafzimmer auf der Rückseite der Wohnung. Dazu gab es noch ein Badezimmer.
Sobald Kristin die Wohnungstür geschlossen hatte, dudelte, wie um ihre Ankunft zu verkünden, erneut die amerikanische Nationalhymne los. Kristin sah, wie Jeff instinktiv die Schultern straffte. »Geh nicht ran«, warnte sie ihn, als er nach dem Handy in seiner Hosentasche tastete.
Eine Sekunde später schwebte Laineys Stimme über den dunkelblauen Plüschteppich und stieg an den Wänden auf wie giftige Dämpfe. »Wo ist er?«, hörte Kristin sie fragen, weil Jeff das Telefon eine Armeslänge von seinem Ohr entfernt hielt.
»Ich hab dir ja gesagt, geh nicht dran«, flüsterte Kristin unwillkürlich.
»Lüg mich nicht an, Jeff«, zeterte Lainey weiter. »Wenn Tom bei dir ist, sag es mir lieber gleich.«
»Wer ist denn da?«, fragte Jeff, lächelte Kristin neckisch an und ließ das Telefon aus der Hand gleiten.
Kristin fing es auf, bevor es zu Boden fiel. »Tom ist nicht hier«, erklärte sie Lainey.
»Ich hab mich von dem Mann jetzt lange genug wie Scheiße behandeln lassen«, schluchzte Lainey. »Das ist mein Ernst, Kristin. Mir reicht’s.«
»Warum versuchst du nicht einfach zu schlafen?«
Als Antwort wurde die Verbindung unterbrochen.
»Immer ein Vergnügen, mit dir zu plaudern.« Kristin warf das Telefon aufs Sofa.
»Hey«, ertönte ein überraschter Aufschrei. »Was zum Teufel …?«
»Will?«, fragte Kristin und schaltete die Deckenlampe an.
»Scheiße«, sagte Jeff. »Was machst du denn hier zu Hause?«
»Vielleicht versuche ich zu schlafen?«, gab Will zurück und schirmte die Augen gegen das grelle Licht ab.
»Sonst noch jemand unter deiner Decke?« Jeff zerrte die Decke von dem provisorischen Bett und warf sie auf den Boden.
»Was machst du denn da?«
»Wo ist sie?«
Alle Schlaftrunkenheit wich schlagartig aus Wills blassem Gesicht. Er atmete tief ein und langsam wieder aus. »Falls du Suzy meinst, die ist offensichtlich nicht hier.«
»Wo ist sie?«, wiederholte Jeff.
»Ich nehme an, sie ist nach Hause gefahren.«
»Du nimmst an? Du bist nicht mitgekommen?«
»Nein«, sagte Will. »Sie hatte ein Auto. Ich hab ein Taxi genommen …«
»Was willst du damit sagen?«
»Was willst du mich fragen?«
»Hast du sie gevögelt oder nicht?«, wollte Jeff wissen, der mit einem Mal wieder sehr wach und nüchtern war.
Will sah Kristin in der Hoffnung an, dass sie dazwischengehen würde. Aber das tat sie nicht. Ihr Blick sagte vielmehr, dass sie ebenso interessiert an der Antwort war wie Jeff. »Nein«, antwortete Will schließlich.
»Was habt ihr denn gemacht?«
»Wir sind am Strand spazieren gegangen und waren im Kino.«
»Du willst mich verarschen«, sagte Jeff ungläubig.
Will schüttelte den Kopf, atmete noch einmal tief aus und ließ sich auf das weiche Polster des Sofas zurücksinken. »Tut mir leid, dass ich
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