Das Verhaengnis Thriller
alles aus dem Häuschen. Er sah ein älteres Paar an der Ecke, das einen Stadtplan konsultierte, und ein paar Schwule auf der anderen Straßenseite, die über den richtigen Weg diskutierten. Eine attraktive Frau mit dunkler Haut, silbernen Highheels und drei Einkaufstaschen von Victoria’s Secret schlenderte vorbei, sodass eine der Taschen Toms Zigarette streifte. Die Frau drehte sich mit finsterem Blick um, als hätte er sich ihr absichtlich in den Weg gestellt. Schlampe, dachte Tom. Als ob er vorsätzlich ein paar Stringtangas und Push-up-BHs in Brand setzen würde.
Was war überhaupt los mit den Weibern? Glaubten sie, er müsse strammstehen, um ihnen nicht im Weg zu sein? Manchmal kam es ihm beinahe so vor, als ob sie erwarteten, dass man ihre Gedanken las. Wie die Frau in dem Laden – woher sollte er wissen, dass sie Hilfe wünschte? Hätte es sie umgebracht zu fragen? Und diese Schlampe auf Highheels – wenn sie wollte, dass er aus dem Weg trat, hätte sie bloß »Verzeihung« sagen müssen. Ein bisschen Höflichkeit konnte nie schaden. Und Lainey, Scheiße noch mal. Wenn sie wollte, dass er mehr Zeit zu Hause verbrachte, ein aufmerksamer Vater war und … wusste der Himmel, was sie sonst noch wollte. Er war kein Gedankenleser, verdammt noch mal.
Oder das Mädchen in Afghanistan, dachte er und sah ihr Bild mit dem Zigarettenrauch vor sich aufsteigen, das mit wallenden Gewändern unter blauem Himmel aufreizend die Hüften geschwenkt hatte. Hatte sie nicht gelächelt, als er und mehrere andere Soldaten, darunter Jeff, das karg möblierte Haus betreten und nach Spuren des Feindes gesucht hatten? Hatte sie nicht die Augen niedergeschlagen – das Einzige, was man unter der verdammten Burka überhaupt von ihr sehen konnte –, niedergeschlagen und kokett gekichert, eine klare Einladung? Woher sollte er wissen, dass sie erst vierzehn war? Woher sollte er wissen, dass sie Nein sagte, wenn sie sich weigerte, ein Wort Englisch zu reden?
Es war nicht mal seine Idee gewesen, Scheiße noch mal. Es war dieser verdammte Gary Bekker gewesen. »Was meint ihr, reiten wir die Kleine ein?«, hatte er gesagt, als sie das Haus verlassen wollten.
»Ohne mich«, sagte Jeff sofort. »Los komm, Tom, wir verschwinden.«
»Stimmt das, Tommy-Boy? Brauchst du Jeffs Erlaubnis, um ein bisschen Spaß zu haben?«, hatte Gary ihn provoziert. »Was ist eigentlich mit euch beiden los? Habt ihr was laufen, wovon wir anderen wissen sollten?«
»Komm, Tom«, sagte Jeff, ohne sich aus der Reserve locken zu lassen.
»Du kannst ja schon gehen, wenn du willst«, erwiderte Tom. »Sieht so aus, als hätte ich Lust auf ein junges Fohlen.«
»Scheiße«, sagte er jetzt und versuchte das Bild des schmerzverzerrten Gesichts des Mädchens mit dem letzten ausgeatmeten Zigarettenrauch zu vertreiben. Er hätte auf Jeff hören sollen. Dann wäre er nicht unehrenhaft nach Hause geschickt worden. Die Armee hätte seine Ausbildung bezahlt. Er hätte ein Diplom machen, wie Jeff Personal Trainer werden und, umgeben von spärlich bekleideten Frauen, gutes Geld verdienen können, anstatt für den Mindestlohn unter einem Wichser wie Carter Sorenson bei Gap zu arbeiten. Sich mit diesem blöden Mädchen einzulassen, hatte ihn eine Menge gekostet.
Und trotz all ihres Gejammers konnte ihm keiner erzählen, dass sie nicht insgeheim jede Minute genossen hatte.
»Tom?«, fragte eine vertraute Stimme ein Stück entfernt.
Tom reckte den Hals um eine Gruppe junger Frauen herum, die die Straße hinunterschlenderten. Die kleine Brünette hatte einen netten Arsch, dachte er, als unvermittelt Wills Kopf in seinem Gesichtsfeld auftauchte. Mist. Als ob der Tag nicht schon beschissen genug wäre. Was machte der denn hier?
»Freut mich, dich zu sehen«, sagte Will. »Ich war mir nicht sicher, ob du hier sein würdest.«
»Wo sollte ich denn sonst sein?« Tom trat seine Kippe auf dem Bürgersteig aus und blinzelte Jeffs kleinen Bruder gegen die Sonne an.
»Ist Jeff da?«
»Was sollte Jeff denn hier wollen?«
»Du hast ihn heute noch nicht gesehen?«, fuhr Will fort, ohne Toms Gegenfrage zu beachten.
»Sollte ich?«
»Irgendjemand hat in aller Herrgottsfrühe angerufen. Du warst es nicht?«
»Ich war es nicht«, bestätigte Tom wortkarg.
Will trat von einem Fuß auf den anderen. »Jeff hat behauptet, sein Chef hätte angerufen. Er hat ihn gebeten, früher zu kommen.«
»Warum fragst du dann, ob ich es war?«
»Weil er nicht zur Arbeit gegangen ist. Offenbar hat er
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