Das Verhaengnis Thriller
Auslagetischen betastet, die Augen weit aufgerissen, um nur ja kein einzelnes Stück zu übersehen.
»Gibt es ein Problem, Whitman?«, fragte der Store Manager, der hinter Tom aufgetaucht war.
Aufgeschreckt von der quäkenden Stimme seines Vorgesetzten fuhr Tom herum. Er hasste es, wenn sich Leute von hinten anschlichen. »Nichts, was ich nicht selbst regeln könnte.«
»Was gibt es denn zu regeln?«, fragte Carter Sorenson. Carter war knapp 1,65 Meter groß, kurzsichtig und achtundzwanzig. Tom hasste es, dass er klein war, eine Nickelbrille trug und eine schrille Stimme hatte wie ein Mädchen. Besonders hasste er es, dass Carter jünger war als er und über ihn bestimmen konnte. Den Namen des Kerls hasste er auch. Was war Carter überhaupt für ein Name? Carter war ein beschissener Nachname und kein Taufnahme. Obwohl Carter seinen Namen offenbar mochte, weswegen Tom ihn noch mehr hasste.
»Ich behalte bloß die Frau da drüben im Auge.« Tom wies mit dem Kopf auf die fragliche Dame.
»Tatsächlich?«, fragte Carter. »Es sah nämlich so aus, als würden Sie hier einfach rumstehen und gar nichts tun.«
»So hat es also ausgesehen?« Tom zwang sich, Carter nicht an die Gurgel zu gehen und fest zuzudrücken.
»Hat sie in irgendeiner Weise Ihren Verdacht erregt?«, fragte Carter.
»Hören Sie«, sagte Tom, und sein Lächeln konnte seinen herablassenden Ton nicht ganz kompensieren, »ich bin Kriegsveteran, ich war in Afghanistan. Für so etwas entwickelt man einen Instinkt.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Ihr Soldateninstinkt Ihnen sagt, dass die Frau eine potenzielle Ladendiebin ist?«
»In Verbindung mit meiner Erfahrung im Einzelhandel, ja. Ich halte es für durchaus möglich.«
In genau diesem Moment sprach Angela Kwan, eine junge asiatische Verkäuferin mit langen schwarzen Haaren und einem enervierend sonnigen Gemüt, die Frau an und fragte sie, ob sie Hilfe benötige.
»Ja, vielen Dank«, antwortete die Frau erleichtert. »Ich habe darauf gewartet, dass mir jemand hilft, aber Sie waren alle so beschäftigt.« Sie blickte in Toms Richtung, als wollte sie sagen: »Bis auf ihn. Er hat die ganze Zeit nur dagestanden.«
»Vielleicht könnten Sie die Überwachung eine Weile zurückstellen und sich darauf konzentrieren, den Kunden zu helfen«, schlug Carter vor, und seine dünne Stimme bog sich unter dem Gewicht seines Sarkasmus. »Ich glaube, die beiden Herren dort könnten möglicherweise von Ihren beruflichen Erfahrungen profitieren.« Er wies auf zwei Teenager, die in diesem Moment den Laden betraten.
»Wird erledigt«, erklärte Tom ihm und fügte leise murmelnd hinzu: »Wichser. Braucht ihr Hilfe, Jungs?«, fragte er die beiden pickeligen Teenager. Wenn es etwas gab, was er noch mehr hasste als Frauen mittleren Alters, waren es halbwüchsige Jungen. Beide Bevölkerungsgruppen glaubten, alles zu wissen.
»Wir sehen uns nur um«, sagte einer der Jungen lachend und ließ eine Kaugummiblase platzen. Tom glaubte, das Wort »Loser« gehört zu haben, als sie in den hinteren Teil des Ladens schlenderten. Er konnte sich nur mühsam beherrschen, ihnen nicht nachzulaufen und sie niederzuschlagen.
Stattdessen stand er etliche Minuten da und spürte, wie Carters Blick Löcher in seinen Hinterkopf und sein rot-schwarz kariertes Hemd brannte. Er hätte sich am liebsten umgedreht und ihn angefahren: Was glotzt du so? Wenn du glaubst, dass ich mir für nicht mal acht Dollar die Stunde den Arsch aufreiße, um ein paar Teenagern hinterherzulaufen, hast du sie nicht alle. Wenn du glaubst, dass ich jede mittelalte Tusse, die hier reinkommt, zuschleime wie dieses blöde Schlitzauge, bist du schiefgewickelt. Wenn man den Mindestlohn zahlt, kriegt man minimalen Ersatz, hat man dir das auf der Wharton School of Business nicht beigebracht, wollte Tom ihn fragen und drehte sich um, bereit, Carter in Grund und Boden zu starren.
Aber Carter beobachtete ihn nicht mehr. Carter war vielmehr nirgends zu sehen. Tom atmete erleichtert aus und entschied, dass es Zeit für seine Pause war, obwohl der Laden gerade erst aufgemacht hatte. Er ging zur Eingangstür, fischte eine Zigarette aus seiner Tasche und zündete sie schon an, noch ehe er an der frischen Luft war.
Die Lincoln Road Mall, eine breite Fußgängerzone, war noch voller als gewöhnlich. Touristen, dachte Tom verächtlich und zog heftig an seiner Zigarette. Warum konnten sie nicht einfach zu Hause bleiben? Sie waren laut und anspruchsvoll und gerieten über praktisch
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