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Das verhängnisvolle Experiment

Das verhängnisvolle Experiment

Titel: Das verhängnisvolle Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Angst in ihr. Aber war nicht gerade die Gefahr ihr besonders verlockend erschienen, nachdem sie von den zwei Jahren Nichtstun genug gehabt hatte? Sich selbst erproben, welch wunderbarer Gegenpol zu dem unbeschwerten, aber leeren Leben eines Flippers! Zu einem Leben, das dahingeflossen war wie ein träger Bach, der vorsichtig jeden Stein und jedes Hindernis mied. Mag sein, daß es eine übertriebene Reaktion war, aber wer verträgt es schon, wenn ihm gesagt wird, er lebe auf Kosten anderer, lebe eigentlich überhaupt nicht, da Leben viel mehr bedeute als nur vorhanden zu sein für sich und niemanden sonst? Keiner hält das auf die Dauer durch. Zumindest dann nicht, wenn er selbst anfängt nachzudenken, mit sich und seinem Leben abzurechnen. Denn mit dem Nachdenken kommen die Ansprüche an sich selbst. Und diese Ansprüche haben die Eigenschaft, mit dem Alter zu wachsen. »Spring, Toria!«
    Was war richtig, was falsch? Gab es auf diese Frage überhaupt eine gültige Antwort? In einer Welt, in der die Erfordernisse noch immer nicht mit den Interessen des Individuums übereinstimmten. Weil es nicht nur eine Gesellschaft gab, sondern zwei, die sich zudem noch befehdeten. Und doch kam eines Tages zwangsläufig die Erkenntnis, daß Lavieren schadete, daß, wer sich heraushielt, der Fehde Vorschub leistete und denen, die sie betrieben. Sie besaß nicht einmal mehr die Umhängetasche, als sie zurückging.
    »Spring endlich, Toria!«
    Sie sprang mit geschlossenen Augen und steifen Beinen, als wäre dort unter ihr nicht der unschuldig grüne Teppich einer Wiese, sondern die eisige Tiefe eines Bergsees. Ihre Füße berührten den Boden, automatisch knickten die Knie ein, und sie rollte über den gekrümmten Rücken ab, wie sie es im Training hundertmal geübt hatte. In gleicher Weise, ohne bewußtes Handeln, drückte sie sich hoch und lief gebückt um die Spinne herum, sich hinter dem Heck verbergend. Neben ihr stand Yahiro, unbeweglich und überdimensional wie ein Berg.
    Ein Rest von Geborgenheitsgefühl überkam sie in seiner Nähe, ein lächerliches Rudiment dessen, was sie empfunden hatte, als sie den beiden Umfunktionierten zum erstenmal gegenübergestanden hatte.
    Abermals war sie, wie schon sooft in ihrem Leben, in Deckung gegangen, hatte sich hinter etwas verborgen, das ihr stärker schien als sie selbst und stärker auch als das, was um sie her geschah. Aber auch diesen Schutz würde sie verlassen müssen. Für immer verborgen konnte nur jemand bleiben, der nicht mehr am Leben war.
    Peter Mankov stand ein wenig geduckt hinter einem der Spinnenbeine und spähte hinüber zum Waldrand. In seiner Haltung lag so viel Spannung, daß Toria glaubte, seinen Körper vibrieren zu sehen. Das war wieder der alte Mankov, der Mann, der ihr vom ersten Tag an imponiert hatte.
    Er blickte sich über die Schulter um, richtete sich ganz auf und winkte. Es war eine sparsame Bewegung, kaum erkennbar, eine kreisende Geste der Fingerspitzen, mehr nicht. Trotzdem verstand sie augenblicklich, und als er die magere Deckung der Laufstütze verließ, folgte sie ihm.
    Yahiro rührte sich nicht. Der Multihom hatte mit der gleichen Sicherheit erkannt, daß der Wink nur ihr gegolten hatte.
     
    Sie erreichten den Waldrand, ohne daß irgend etwas geschehen wäre, etwa zehn Meter seitlich der Spinne 1. Mit einer abermaligen sparsamen Handbewegung forderte Mankov zum Stehenbleiben auf. Toria trat unter einen der Bäume und verbarg sich notdürftig unter dessen flutendem Blattwerk.
    Mankov schlich geduckt hinüber zu dem Fahrzeug, das auf so unerklärliche Weise an diesen Ort gelangt war. Sie sah, wie er einen Bogen schlug, der ihn ein Stück zurück auf die Wiese führte. Er ging zwar gebückt, war aber sicherlich schon aus großer Entfernung zu sehen. Seine rechte Hand lag am Griffstück des Lasers, sein Ellenbogen stand unnatürlich weit vom Körper ab. Schließlich verschwand er hinter der Spinne, und sie hörte nur noch die Geräusche, die er verursachte, als er sich auf seinem Weg durch das Unterholz um den Bug der Spinne herum vorarbeitete.
    Plötzlich kam sie sich einsam und verlassen vor, und ihr schauderte. Sie rechnete mit Ungewöhnlichem. Obwohl sie Mankov hören konnte, schien er ihr weit entfernt, so weit, als läge der gesamte Wald zwischen ihm und ihr.
    Sie wandte den Kopf und blickte über die Wiese. Drüben stand Spinne 2, ein dunkelglänzender Hügel mit kaum noch erkennbaren Extremitäten, unerreichbar fern. Von Yahiro vermochte sie

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