Das verhängnisvolle Experiment
Nebelregen zu zerstreuen begann. Aber auch das ging anders vor sich, als es auf der Erde üblich war. Der Dunst löste sich weder auf, noch wurde er durch den einsetzenden Wind einfach davongeblasen. Es war, als werde er nach einem genau festgelegten Plan Schicht nach Schicht abgetragen.
Das brachte einen bestürzend unirdischen Effekt zustande. Zu einem bestimmten Zeitpunkt befand sich lediglich der Kopf des Beobachters außerhalb des Nebels, kurz oberhalb einer leicht gewellten, wattig weißen Fläche, ähnlich dem Kopf eines Schwimmers über dem Wasser, nur daß die Flüssigkeit hier durch milchige Schwaden ersetzt war, die den Bewegungen keinerlei Widerstand entgegensetzten. Bäume und Sträucher schienen haltlos zu schweben, und wenn man eines der Gewächse längere Zeit über im Auge behielt, dann drängte sich der Eindruck auf, es wäre irgendwie am Himmel befestigt, an einem ebenfalls weißlichen Himmel, der jedoch im Gegensatz zu dem Nebel von ungewöhnlicher Durchsichtigkeit war. Das alles schuf eine Situation, die die Dinge dieser Welt auf den Kopf stellte. Er spürte deutlich, daß sich sein Gleichgewichtssinn trübte.
Neben sich sah er den violetten Helm Maaras aus der sanft gewellten Fläche ragen, einen grotesk verformten Ball, der bewegungslos auf einem riesigen, weißen, sanft atmenden Laken lag.
Später geriet das Laken in heftigere Bewegung, ohne daß er dafür einen äußeren Anlaß hätte erkennen können. Weder hatte sich der Wind verstärkt, noch wehte er unregelmäßiger oder aus einer anderen Richtung als zuvor. Trotzdem sah es aus, als wäre unter der Fläche eine Bewegung entstanden, die sie in Unruhe versetzte. Kleine Fontänen stiebten auf, Wellen fluteten richtungslos über das Weiß, und an den Stämmen der Bäume sprangen winzige Geysire auf. Kurz danach schob sich die gesamte obere Schicht zur Seite und glitt scheinbar in die Räume zwischen den Bäumen am Rand der Lichtung. Maara Schultern tauchten aus dem Nebel, klar und deutlich, mit hurtig an ihnen niederrinnenden Tropfen.
Dann sah er auch ihren rechten Arm. Und während sie den Arm in die Waagerechte hob, um hinüber zum jenseitigen Rand der Lichtung zu zeigen, floß der Nebel von der Folie des Skaphanders herab wie dünnes Öl. »Dort!« sagte Maara.
Vor die schwebenden Bäume schob sich ein groteskes Monstrum, eine Vision, die an das Urzeitleben der Erde erinnerte. Das war die Spinne, er wußte es, aber seltsamerweise dämpfte dieses Wissen den unvermittelt aufkommenden Fluchtreflex keineswegs. Nur mit äußerster Beherrschung gelang es ihm, stehenzubleiben und sich gegen seinen aufrührerischen Selbsterhaltungstrieb durchzusetzen.
Über das Laken der Nebelfläche schwebte eine dunkelgraue Riesenlinse heran, auf deren gewölbter Oberfläche hin und wieder matte Lichtreflexe blinkten. An der Peripherie der Linse bewegten sich die geknickten Knie der Laufzeuge in schwingenden Bögen, die Fläche des Dunstes wie mit überdimensionalen Quirlen durcheinanderrührend. Noch nie zuvor hatte er bemerkt, daß die Bewegungen der Spinne von so animalischer Harmonie waren. Nun erst, da sie halb vom Nebel verborgen auf ihn zustelzte, sah er etwas von der unglaublichen Eleganz dieser Maschinen. Und ebendiese Eleganz vermittelte den Eindruck der Bedrohung, was unwillkürlich den Wunsch zu fliehen auslöste.
Unter dem Ansturm widerstreitender Gefühle begann er am ganzen Körper zu zittern, und er begriff nicht, daß Maara noch immer nicht das geringste Zeichen von Furcht erkennen ließ. Scheinbar unbeeindruckt stand sie an seiner Seite.
Dann glitt die nächste Schicht des Nebels lautlos davon, und die Spinne wurde fast gänzlich sichtbar. Nur die unteren Teile ihrer Laufzeuge befanden sich nach wie vor in einer wattigen Schicht, die bei jeder Bewegung aufwallte. Das Gefühl der Bedrohung verschwand, wie ein Alptraum beim Erwachen verging.
Er atmete auf. Und auch Maara stieß die Luft aus, als wären ihre Lungen mehrere Sekunden lang blockiert gewesen. An ihr waren diese Eindrücke ebenfalls nicht spurlos vorübergegangen. Das zu wissen gab ihm einen Teil seines Selbstvertrauens zurück.
Die Spinne blieb unmittelbar neben ihnen stehen, spreizte umständlich die Beine und senkte den Körper dadurch so weit ab, daß der Einstieg jetzt unmittelbar über dem Boden lag. Noch immer war das Gras von einer dünnen weißlichen Schicht überzogen.
Als die Klappe nach unten schwang und sich mit ihrer Außenseite sanft auf den niedrigen Bewuchs
Weitere Kostenlose Bücher