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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Aber an diesem Abend sah er keine guten Dinge im Feuer. Er sah brennende Schiffe und lange Reihen von Kriegern. Er hörte die Schmerzensschreie sterbender Männer durch das Prasseln der Flammen und roch Meer und Blut. Und er sah einen Strand, an dem die Dünung über schwarze Steine rollte. Er sah den Frauenkörper in den Wellen.
    Bran warf das Fell ab. Dielan zog es zu sich rüber, hustete und drehte sich vorsichtig auf die Seite. Der Wind war stärker geworden. Bran duckte sich unter den schaukelnden Ästen und fuhr mit der Hand über die kühle, taufeuchte Birkenrinde. Die Traumbilder waren flüchtig wie Morgennebel, und er konnte sie nicht deuten. Aber sie quälten ihn. Und sie suchten ihn heim wie böse Geister und ließen ihn niemals in Frieden.
    Er lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Stamm und sah zu Dielan, der im Schlaf schmatzte und sich unruhig bewegte. Die Rippe würde vor Anbruch des Winters wieder angewachsen sein. Dielan hatte Schmerzen, aber Bran wusste, dass die Verletzung nicht gefährlich war. Er erinnerte sich noch daran, als Noj auf einer Bahre von einem Jagdausflug zurückkehrte. Der alte Häuptling hatte sich eine Rippe gebrochen, als er und seine Männer auf eine Bärenhöhle gestoßen waren. Aber schon beim nächsten Vollmond war Noj wieder auf den Beinen. Nicht Dielan war der Grund für seine Unruhe, es war etwas anderes. Das gleiche Gefühl hatte er vor der Seeschlacht vor dem Winterlager gehabt. Es war ein Vorzeichen.
    Bran starrte lange in die Baumkronen hinauf. Jedes Mal, wenn der Wind durch sie hindurchfuhr, bogen sich die Äste der Birke zur Seite und gaben den Blick auf die blauschwarzen Wolken am Himmel frei. Bran hatte gehofft, Sterne zu sehen. Kraggs Juwelen hatten ihm immer Zuversicht gegeben. Aber diese Nacht brachte nur Wolken, Wind und Kälte. Bran schob seine eiskalten Hände zwischen die Oberschenkel. Er konnte den Frost riechen. Das Moor hatte einen ganz eigenen Geruch, wenn sich die langen Arme der Herbstkälte um die Stämme der Bäume schlangen. Den Geruch von Erde und Bäumen, die gelbe Blätter abwarfen. Es roch nach Herbst.
     
    Bran blieb auf den Sträuchern sitzen, bis die Kälte ihn zwang, ans Feuer zurückzugehen. Er drehte die Äste um und legte die letzten trockenen Zweige aufs Feuer, ehe er neben Dielan unter das Fell kroch. Der Wind fuhr jetzt heulend über den Hang. Mit jeder Böe waren andere Geräusche zu hören. Äste schlugen aneinander und das Laub raschelte wie das Flüstern krettischer Zauberer. Kleine Steine rollten den Hang hinab, während das Leuchtfeuer knisternd mit den sterbenden Flammen kämpfte. Bran schloss die Augen und zog den Speer näher zu sich heran.
     
    In dieser Nacht raste ein gewaltiges Unwetter über den Berg. Die Wolken trieben über die Ebene, den Wald und das Meer und ballten sich um den Gipfel. Der Wind brüllte wie ein Heer bösartiger und vergessener Götter und rüttelte an den Baumkronen. Er peitschte über das Moorwasser und heulte durch die unzähligen Spalten des Berges. Als das Leuchtfeuer heruntergebrannt war, griff der Wind unter die halb verkohlten Äste und schleuderte sie den Berghang hinunter.
    Die Brüder schliefen dennoch tief in dieser Nacht; die Winter auf der Felsenburg hatten sie an Stürme gewöhnt. Und erschöpft, wie sie waren, ließen sie den Wind durch die Baumkronen rauschen und kümmerten sich wenig um die Geräusche der Nacht. Sie hörten nicht das Kratzen der Äste an der Felswand, nicht das Heulen der Dämonen im Wind und ebenso wenig die Schritte am Berghang. Und als die Gestalten im Morgengrauen zu ihnen heruntergeklettert kamen, schliefen sie immer noch fest. Wie aus der Erde geboren waren die vier plötzlich da, mit Lodenumhängen und langen Speeren in der Hand. Es waren keine Dämonen, auch wenn sie wie lautlose Schatten über die Sträucher huschten. Unter ihren vom Wetter und von der langen Wanderung verblichenen Hüten ragten lange Bärte hervor. Sie schnupperten wie Füchse an der Feuerstelle, ehe sie die Schlafenden unter dem Bärenfell umringten. Die vier waren nicht größer als ein Kurzbogen, doch die Skalps, die an ihren Speeren hingen, zeugten von vielen blutigen Kämpfen, die sie gewonnen hatten.
    Bran war in der Nacht zweimal wach geworden, aber beide Male hatte er sich nur umgedreht und das Fell über den Kopf gezogen. Er spürte den Schaft seines Speeres im Rücken und die kalte Luft im Gesicht. Er wusste, dass die Nacht bald vorbei war, und unter dem Fell war es warm und

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