Das Verheissene Land
der Feuerstein, der die Männer zum Ausruhen um das Feuer versammelte.
Der Feuerstein klopfte geduldig gegen die Messerklinge. Bran kroch auf das Geräusch zu. Er ertastete das Fell, das Dielan auf dem Boden ausgebreitet hatte, und setzte sich darauf. Dann hüllte ihn Rauch ein.
»Du sitzt mitten im Rauch.« Dielan schnaufte und steckte das Messer in die Scheide.
Bran rutschte zur Seite und in diesem Augenblick sah er hinter dem grauen Schleier einen schwachen Lichtschimmer.
Dielan setzte sich neben ihn. Das Feuer begann zu knistern. Bran rieb sich die brennenden Augen. Die Flammen vor ihm wurden größer. Er erkannte zerbrochene Zweige und Gras. Er konnte seine Stiefel sehen.
»Es kehrt zurück.« Er wandte sich zu Dielan und sah dessen Augen über dem schwarzen Bart und die tiefe Furche zwischen den Augenbrauen. Ihm liefen Tränen über die Wangen, aber das war ihm egal. Er konnte wieder sehen. Er stand auf und blinzelte in die Baumkronen. Er sah die Wolken am Himmel und die Äste, die sich im Wind bogen.
Bran kletterte die zerklüftete Felswand zum Hang hinauf und blieb wie verhext stehen. Er hatte nicht erwartet, so hoch zu sein. Es war das reinste Wunder, dass er nicht in eine der vielen Felsspalten gestürzt war. Weit unter ihm glitzerte das Moorwasser. Und hinter dem Moor waren die Ebene, der Bach und die Felsen. Der Wald zog sich wie ein wollener, grüner Teppich um den Höhenzug, hinter dem sich bis zum Horizont das Meer erstreckte.
»Steh nicht da rum«, rief Dielan. »Das Feuer brennt jetzt richtig. Wir müssen unsere Kleider trocknen.«
Bran wollte dem Land seine Stärke zeigen. Es hatte versucht, ihn zu zerbrechen, aber er hatte gesiegt. Der graue Schleier war verschwunden, und niemand, nicht einmal die roten Dämonen, würden ihn daran hindern können, zu ihr zurückzukehren.
Den Rest des Tages verbrachten Bran und Dielan in der Kluft. Sie beschlossen, am nächsten Tag im Morgengrauen den Rückweg anzutreten. Bis dahin mussten sie so viel Kraft wie möglich sammeln. Die Kluft zog sich ein gutes Stück den Hang hinauf, und unter den Birken wuchsen dichte Beerensträucher. Die Brüder krochen hin und her und schoben sich eine Hand voll Blaubeeren nach der anderen in den Mund, denn sie wussten, dass sie alles an Nahrung aufnehmen mussten, was sie kriegen konnten, ehe sie sich an den Abstieg machten. Erst, als die Sonne ihre goldenen Strahlen durch die schwankenden Birkenäste schickte, setzten sie sich an die Feuerstelle. Dielan legte trockene Zweige auf die Glut und dann nahm jeder einen Wasserschlauch.
»Blas du das Feuer an«, hustete Dielan. »Ich schaffe das nicht.«
Bran blies in die Glut, während Dielan sich gegen die Felswand lehnte. Als die Flammen auf die Rinde übergriffen, schob Bran eine Kiefernwurzel, die Dielan gefunden hatte, ins Feuer. Danach machte auch er es sich gemütlich. Er legte die Beine übereinander und lehnte sich mit dem Rücken gegen den schroffen Felsen. Dieser Platz erinnerte ihn an die Klippen von Arborg, der Berg war aus dem gleichen schwarzen Stein.
»Das ist beinahe wie in alten Tagen.« Dielan nahm den Wollumhang von den Schultern und teilte ihn mit Bran. »In den Bergen, meine ich. Erinnerst du dich noch an unsere Jagdausflüge, Bran? Das waren noch Zeiten.«
»Und ob ich mich erinnere«, sagte Bran. »Damals herrschte noch Frieden. Wir waren sicher.«
»Kragg war uns nah und breitete seine Flügel über uns aus.« Dielan zog den Wollumhang bis unters Kinn, schloss die Augen und lächelte, wie sooft, wenn er an die Zeit in der Felsenburg dachte. »Damals gab es noch viele Hirsche. Weißt du noch, der Tag, an dem es so heftig stürmte, dass Hagdars Pfeil zurückkam?«
»Was hatte er eigentlich zu treffen versucht?« Bran kratzte sich am Bart. An jenem stürmischen Tag waren sie besonders weit oben im Gebirge gewesen. Völlig unvermittelt hatte Hagdar einen Pfeil den Hang hinauf abgeschossen, gegen den Wind. Bran erinnerte sich noch sehr gut an den Gesichtsausdruck des kräftigen Mannes, als der Pfeil vom Wind zurückgeweht wurde und zitternd zwischen Hagdars Beinen im Boden stecken blieb.
»Er sagte, er hätte einen Hasen gesehen. Stell dir das mal vor, Bran! Ein Hase im Hochgebirge!«
Dielan schüttelte lachend den Kopf, und Bran stimmte in sein Lachen ein. Dielan hatte Recht. Hier im Windschutz, mit den wogenden Baumkronen über sich, könnten sie genauso gut auf einem Jagdausflug im Lanzengebirge sein. Er beugte sich vor und drehte einen Ast um,
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