Das Verheissene Land
rechts. Dort blieb er stehen, bis sein Volk ihn einholte. Er wagte es nicht, alleine weiterzugehen, denn er sah den Raben nur einen Steinwurf vor sich auf einem Felsvorsprung sitzen. Als die Männer die Pferde nach oben zogen und die Schlitten abstellten, flog der schwarze Vogel auf. Sein heiserer Schrei hallte an den Felswänden wider. Das Felsenvolk sah ihn und rief den Namen des Himmelsvogels. Turvi hob den Kopf und lächelte mit seltsam müden, erschöpften Augen. Kai reichte Bran die Zügel, der den gefleckten Hengst weiterführte.
Es dauerte nicht lange, bis die ersten Freudenschreie durch die Scharte hallten. Bran zerrte ungeduldig am Zaumzeug. Er sah den Himmel vor sich und das Ende der Scharte. Dann umrundete er den Felsvorsprung. Hier weitete sich die Kluft und das Felsenvolk stand am Eingang einer weitläufigen Tallandschaft. Einige knieten im Gras nieder. Andere weinten. Sie waren am Ziel.
Bran kannte diesen Ort. Die Traumbilder standen jetzt klar vor ihm, und er erinnerte sich, was sie ihm gezeigt hatten. Vor ihm, im Windschatten der zerklüfteten Berge, lag das Tal. Er lief ins Gras, beugte sich hinunter und fuhr mit den Händen durch die gefrorenen Halme. Der Hang fiel vor ihm ab und war mit welkem Gras bedeckt, einzig unterbrochen von Disteln und einzelnen Felsen. Ein paar Pfeilschüsse unterhalb war ein Fluss und auf der anderen Seite des Flusses wuchsen gewaltige Eichen. Eine Böe wehte von den Bergen hinab und riss gelbe Blätter von den Zweigen, die in den Fluss segelten und sachte davontrieben. Weit dort unten bildete der Fluss eine Schleife, die bis an den Berghang führte, ehe er wieder im Eichenwald verschwand.
Das Felsenvolk blieb lange am Eingang des Tales stehen. Sie sahen die Höhle in den Bergen einen Pfeilschuss rechts von sich und ließen ihre Blicke an den Berghängen hinabgleiten. Sie waren an einen Ort gekommen, der ihnen Sicherheit versprach. Loke meinte, sie ständen am Südende, und deutete auf die Berge im Westen und Osten. Das Tal war unzählige Pfeilschüsse breit und nach Norden ging es endlos weiter. Der Eichenwald zog sich wie ein Flickenteppich über die Talebene, unterbrochen von Lichtungen und Bachläufen. Das Felsenvolk lächelte einander an und lachte, denn sie sahen, dass dies ein reiches Land war.
Da flatterte eine Schar Krähen aus den Bäumen auf. Sie schrien, schlugen mit den Flügeln und flogen nach Osten in den Berghang. Das Felsenvolk griff zu den Bögen. Ein donnerndes Geklapper war aus dem Wald zu hören. Die gelbe Stute wieherte und stampfte mit den Hufen. Bran bat die Männer, die Bögen zu senken, denn er erkannte diesen Laut wieder. Er hatte ihn während des Krieges gehört. Das waren Hufe von Pferden.
Die Pferde kamen am Flussufer zum Vorschein. Die Tiere trabten in das Wasser, stießen graue Atemwolken aus und senkten ihre kräftigen Nacken. Die Pferde waren struppig und hatten einen gedrungenen Körperbau und das Felsenvolk sah ihnen beim Trinken zu. Erst als der Sohn von Kai den Mund nicht mehr halten konnte, hoben sie die Köpfe und schnaubten. Einer der größten Hengste richtete seine Augen auf sie, ehe er wieherte und wieder zwischen die Bäume galoppierte. Die Pferde verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren, und das Donnern der Hufe erstarb zwischen den Bäumen.
Das Felsenvolk stieg in Richtung Fluss ab. Die Dämmerung war hereingebrochen, während sie am Eingang des Tales standen und jetzt war es beinahe dunkel. Sie gingen zum Fluss hinunter und dort spannten die Männer die Schlitten aus. Bran nahm Tir und Ulv in die Arme und watete in das knietiefe Wasser hinein. Kaer führte die gelbe Stute, auf der Turvi saß, hinter ihm her. Bald waren sie alle im Schutz der Bäume. Sie sogen den Duft von Moos und Laub ein und tätschelten die Stämme freundschaftlich. Die Waldgeister schritten voran und Loke forderte von seinen Lehrlingen ein Feuer und Steinpilze. Es war an der Zeit zu lagern, und das Felsenvolk brach trockene Äste von den Stämmen.
»Hier schlagen wir unser Lager auf!« Bran blieb stehen, setzte Tir im gefrorenen Moos ab und löste seinen Umhang, so dass sie darauf Platz nehmen konnte. Dann wandte er sich an Kaer und Turvi. Der Einbeinige beugte sich über den Pferdenacken. Bran wunderte sich darüber, denn es sah Turvi gar nicht ähnlich, in dieser Weise einzuschlafen.
»Wir sind da!« Bran trat auf sie zu, und Kaer blickte zu seinem Vater auf.
Turvi hob den Kopf, stützte sich auf den Sattelknopf und
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