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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Tal!«
    Das Felsenvolk verstummte plötzlich. Dielan ließ Orm los. Hagdar wandte sich an Turvi.
    »Dort! Dort fliegt Kragg! Er bittet uns, Bran zu folgen!«
    Turvi verlor den Halt im Sattel und stürzte zu Boden. Mit einem Stöhnen richtete er sich wieder auf und zeigte auf den Raben. »Folgt ihm, Freunde! Folgt ihm!«
    Kaer und Eyna sprangen ihm zu Hilfe. Turvi hustete und zitterte, wollte aber nichts von Mitleid wissen. Kaer hob ihn wieder in den Sattel, und das Felsenvolk nahm die Speere und folgte Bran in Richtung der Berge.
    »Gamle hat uns gebeten, dem Raben zu folgen«, sagte Loke, als die Menschen zu Bran aufschlossen. »Er wird uns in das Tal führen, in dem das Felsenvolk Frieden finden wird, während es auf den wandernden Gott wartet.«
    Dielan legte den Arm um seinen Bruder, und Hagdar stützte ihn auf der anderen Seite. So nahmen sie Bran zwischen sich.
     
    Der Rabe verschwand rasch hinter den Bergen, doch das Felsenvolk hatte gesehen, wohin er geflogen war. Sie hielten das für ein Zeichen und glaubten, dass ihnen der Rabe den Weg gewiesen hätte. Deshalb gingen sie an diesem Tag schnell, wie alle Wanderer, die eine weite Strecke hinter sich haben, aber spüren, dass sie bald am Ziel sind.
    Der Tag ging langsam zur Neige, als das Felsenvolk die Berge erreichte. Der Schnee leckte mit weißen Zungen von den zerklüfteten Felsen herab, und auch hier gab es weder Büsche noch Heide. Das Felsenvolk blieb stehen, denn vor ihnen öffnete sich eine schmale Scharte. Sie zog sich wie der Axthieb eines Riesen in die Berge hinein und war von steilen Klippen umgeben. Sie wussten, dass sie am Eingang der Kluft ihr Lager aufschlagen sollten, denn bald würde sich die Dämmerung über sie senken. Doch als die Männer ihr Gepäck absetzten, schrie Turvi ihnen all seine Wut entgegen und bat sie, weiterzugehen. Sie seien bald da, meinte er. Sie sollten erst dann schlafen, wenn sie ihre Häupter im Tal betten könnten, im Schutz vor den Dämonen des Windes. So schnürten sie sich ihr Gepäck wieder auf den Rücken, legten Pfeile an die Sehnen und gingen vorsichtig weiter.
     
    Dielan hatte Bran den ganzen Weg seit dem Lagerplatz gestützt. Jetzt bat er Bran, die Knie anzuziehen, da sie in einer Scharte aufstiegen. Doch Bran verstand das, er hörte die Stiefel der Tirganer auf den Steinen und das Kratzen der Speerspitzen auf dem Boden. Er streckte seine Hand aus und berührte die kalte Bergflanke. Seine Finger glitten über Eis und zum ersten Mal spürte er keine Zweifel.
    »Wir sind bald da«, sagte er. »Das Tal liegt auf der anderen Seite.«
    Und vielleicht war es diese Gewissheit, die ihm Kraft gab. Denn die Klauen begannen loszulassen und der graue Schleier bekam Risse. Bran blieb stehen, rieb sich die Augen und wandte das Gesicht zum Himmel. Tiefblaue Wolken trieben über ihm. Er sah. Steile Hänge ragten um ihn herum empor. Die Felswand war grau und fleckig, und die Menschen kletterten in einer langen Reihe über den schroffen Boden der Scharte. Die Felsbrocken um sie herum warfen lange Schatten. Bran lief zurück zu Tir. Er beugte sich über den Zugschlitten und lief gekrümmt neben ihr her, während Kai das Pferd führte. Sie lächelte ihn an und sah, dass die Klauen ihn losgelassen hatten. Das Kind schlief in ihren Armen.
    »Führ dein Volk jetzt in das Tal hinab.« Sie streichelte ihm über die Wange.
    Bran ging an der langen Reihe von Männern und Frauen entlang, und als sie ihn sahen, hoben sie ihre Speere über die Köpfe und jubelten. Er hastete an Dielan und Hagdar vorbei und überholte Virga, Cergan und Sortsverd, ehe er an die Spitze der Menschenreihe trat. Dann warf er einen Blick über die Schulter. Turvi saß gekrümmt im Sattel und hielt sich an der Mähne des Tieres fest. Der Einbeinige ist erschöpft, dachte er.
    Bran führte sein Volk vorbei an gewaltigen Felsbrocken, Schutthalden und Geröll. Er nahm die Witterung des Windes auf, denn ein kalter Luftzug wehte zwischen den steilen Felsen. Er brachte den Duft von Gras, Frost und Erde mit sich. Einen Pfeilschuss vor ihnen begann der Boden der Scharte anzusteigen. Die Männer trugen die Schlitten über den steinigen Boden und zogen die Pferde an den Zügeln weiter. Doch Bran wartete nicht auf sie. Er kletterte die Anhöhe empor, die sich vor ihnen erhob, klammerte sich mit den Händen an den Steinen fest und atmete schwer. Auf dem Gipfel der Anhöhe flachte der Boden wieder ab. Und hier oben blies der Wind noch stärker. Die Scharte wandte sich nach

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