Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
Tirga eine Stadt voller Reichtum war, und so hatten einige Händler aus dem Nordwesten ihre Schiffe hinter der Mole einfrieren lassen. Jetzt packten sie ihre Waren aus, denn sie wussten, dass die Tirganer nach dem langen Winter in Tauschlaune waren. Es gab merkwürdige Früchte mit braunen Flecken, die Bran noch nie zuvor gesehen hatte, getrocknete Apfelscheiben, Nüsse und andere Sommerwaren. Es roch nach Kräutern und Leder, nach Schwertöl und Wein. Tir befühlte glänzende Stoffe und die Händler hielten ganze Bahnen vor sie hin. Bran hatte gelernt, dass sie das Seide nannten und dass diese aus irgendwelchen Gebirgen im Norden des Meeres stammte. Der Seiler hatte die Taurollen aus seiner im Hinterhof liegenden Werkstatt geholt und bot die besten Palmentaue und mit Pferdehaar geflochtene Seile an. Bran strich über die geölten Taue und ärgerte sich, kein Gold zu besitzen, denn er sollte mehr Tauwerk an Bord haben. Der Böttcher und sein Lehrling rollten die Tonnen auf die Straße, als Bran und Tir vorbeigingen. Bran dachte an den Vogelmann und die Geschichte, die dieser über seine eigene Jugend erzählt hatte. Karain war sein Name gewesen, als er noch in Krugant lebte. Und er war Lehrling bei seinem Vater, dem Böttcher, gewesen.
    »Habe ich dir von Karain erzählt?« Bran legte seine Hand um Tirs Hüfte.
    »Schon oft.« Tir sprach mit weicher Stimme. »Du hast mir von der Zeit erzählt, als du im Norden wohntest, und vom Vogelmann, dem Sendboten von Kragg.«
    »Kragg ist ein Gott wie Cernunnos.« Bran blieb vor einem Stand stehen, an dem Leder verkauft wurde, und runzelte die Stirn. Diese Gedanken waren schwierig. »Aber Cernunnos ist mein Gott. Kragg hat mich verlassen.«
    Tir legte ihre Hand auf seinen Kopf und fuhr ihm durch die Haare. Sie pflegte so etwas zu tun, wenn sie über dieses Thema sprachen. Sie lächelte, aber es war ein müdes Lächeln, als gelänge es ihr nicht ganz zu glauben, was er sagte. Doch sie war eine Galuene und es fiel ihr leichter als ihm, den Atem der Götter zu spüren. Sie spürte deren Laune. Und Bran hatte gelernt, dass die Götter nicht immer gut zu den Menschen waren.
    »Komm«, sagte Tir. »Lass uns weitergehen.«
    Etwa einen Steinwurf unterhalb des Turms wandten sie sich nach rechts und gingen durch eine schmale Gasse weiter. Tang hing auf den Trockenbalken, die drei Mannslängen über ihnen unter den Dächern zwischen den Häusern verkeilt waren. Bran kannte mittlerweile jede Straße und jeden noch so kleinen Winkel, denn während des Winters hatte er viel Zeit gehabt, durch die Straßen zu schlendern. Gemeinsam mit Dielan hatte er dieses Labyrinth von Türmen und Treppen wie ein unbekanntes Tal erforscht, und mit Turvi waren sie sogar in die Schankstube gegangen und hatten dort mit Tarba und Nangor getrunken. Dies war ein guter Ort und die Tirganer waren ein rechtschaffenes Volk. Er konnte ihnen trauen, und sie brachten ihm große Achtung entgegen. Tarba hatte die Geschichte verbreitet, wie Bran durch Vandar gewandert war, und der alte Krieger sprach auch oft darüber, wie sein Tileder Blutskalles Frau gefunden und nach Hause gebracht hatte.
    Bran legte den Arm um Tirs Rücken und half ihr die Treppen hinauf. Visikals Garten lag ganz oben in der Stadt, gleich unterhalb der Felder und der Hochebene, die sich nach Süden erstreckte. Tir wollte nur selten hier hinauf, um mit Visikal zu sprechen, denn sie hatte nur wenig für den Bruder ihres Vaters übrig. Doch sie liebte es, dort oben im Garten auf der Bank zu sitzen. Im Sommer lag die kleine Lichtung im Schutz von dichten Büschen, doch jetzt, da die Zweige noch nackt und kahl waren, hatte man eine gute Sicht auf den Hafen und das Meer. Bran ließ ihr die Zeit, die sie brauchte, und blieb stehen, wenn sie ausruhen musste. Er führte seine Hand über ihren Bauch, und als er glaubte, dort drinnen eine Bewegung gespürt zu haben, zog er sie an sich und lachte.
    Mühsam kletterten sie am schwarzen Turm vorbei und an dem Dach, auf dem die Knochenpfeifen im Wind sangen. Schließlich standen sie ganz oben auf der Treppe, von wo aus sie dem Pfad folgten. Das Laub lag schwarz und nass unter ihren Stiefeln und Tropfen fielen von den Dornbüschen. Überall roch es nach Wasser und feuchter Erde. Die Mauern von Visikals Burg waren zwischen den grauen Stämmen zu erkennen, doch sie bogen ab und nahmen den schmalen Trampelpfad, der an den Dornbüschen entlangführte.
    Die Bank stand in der Mitte der Lichtung, umgeben von Gebüsch und

Weitere Kostenlose Bücher