Das Verheissene Land
Munterkeit von ihm geglitten wie der Schnee von einem Stein in der Sonne. Der Einbeinige hatte den Kopf hin und her bewegt und sie angestarrt, ehe er mit der Krücke auf das Deck geschlagen und Dielan befohlen hatte, ihn an Land zu bringen.
Turvi setzte sich in das Gras des Hügels, als er sich dem Lager näherte, denn von dort aus konnte er das Meer überblicken. Mehrmals rief Eyna ihn zu sich und bat ihn ins Zelt zu kommen, ehe er die bösen Geister der Kälte in seinem Körper spürte. Doch Turvi lächelte darüber, denn es gab wichtige Dinge, über die er nachdenken musste. Er tastete über den Primstab und zählte die Monde, er sog den Wind ein und zwang seine alten Augen, auf das ewige Meer im Westen zu starren. Es war jetzt näher als je zuvor. Das Land, das ihnen der Himmelsvogel Kragg durch Brans Träume gezeigt hatte, wartete dort draußen. Es wartete, wie auch er gewartet hatte, seit Kragg über den Himmel geflogen war und die Sonne mit seinen Schwingen verdeckt hatte.
Als sich die Dämmerung über die Stadt legte, kletterte der Einbeinige endlich vom Hügel herunter. Die Menschen hatten sich in den Zelten verkrochen und die Stille verriet, dass sie bereits genug gegessen und getrunken hatten. Eyna schob das Türfell zur Seite, als er auf den Platz hinkte, doch Turvi hatte keine Zeit zu essen und zu ruhen. Er stellte sich an das steinerne Rund in der Mitte des Lagers, wo die Glut noch immer in den verrußten Tangbündeln glomm. Die Menschen hatten ihn darum gebeten. Viele waren im Laufe des Winters zu ihm gekommen und hatten gefragt, wann sie aufbrechen würden.
»Wenn der Frühling kommt«, hatte er geantwortet. »Dann wird Bran uns wieder auf das Meer hinausführen, und wir werden mit dem Langschiff nach Westen segeln, das er für seinen Mut und seine Ehre bekommen hat.«
»Was aber, wenn er nicht aufbrechen will? Er ist durch seine Frau mit diesem Reich verbunden. Was, wenn er will, dass wir bleiben?«
»Das will er nicht. Bran ist unser Häuptling und er war es, der im Traum das Land gesehen hat, in dem Kragg auf uns wartet. Er weiß, dass wir aufbrechen müssen. Und wir brauchen Frühling und Sommer für diese lange Reise.«
Turvi schloss die Augen, denn lange hatte ihm davor gegraut. Bran wollte nicht vor der Geburt aufbrechen, das wusste er. Doch der Häuptling war noch ein junger Mann und seine Gefühle für Tir überlagerten die Vernunft. Bran hätte vom Schiff aus zu seinem Volk sprechen und es bitten müssen, sich darauf vorzubereiten, Tirga zu verlassen, aber stattdessen war er mit seiner Frau zwischen den Häusern verschwunden.
»Kragg.« Er wandte sein Gesicht zum Himmel. »Ich sehe deine schwarze Schwingen. Gib unserem Häuptling die Einsicht, dass wir nicht länger warten können. Lass ihn wie einen starken Mann zu seinem Volk sprechen und mit seinen Worten jeden Widerstand brechen. Denn du weißt, dass uns dieser Ort zu einem gespaltenen Volk hat werden lassen.«
Der Einbeinige räusperte sich. Dann hob er seinen Arm über den Kopf. »Volk von Kragg!«, rief er. »Kommt zum Rat! Stellt eure Becher zur Seite, Männer! Löscht die Flammen und schürt die Glut, Frauen! Das Volk von Bran muss sich beratschlagen, denn die Zeit ist gekommen!«
Vermer und Nosser tauchten in ihren Zeltöffnungen auf. Die Kinder krabbelten unter den Türfellen hervor und rannten auf den Platz. Stimmen erklangen hinter den Lederbahnen der Zelte, und Turvi schlug mit seiner Krücke gegen einen Stein.
»Es ist an der Zeit, sich zu beraten! Bringt brennende Zweige von euren Feuerstellen und versammelt euch um mich herum!«
Männer und Frauen krochen jetzt mit Pelzen und Decken über ihren Rücken aus den Zelten. Sie gingen langsam auf den Einbeinigen zu und sahen sich verwundert an. Doch Turvi schwieg jetzt, denn er wartete auf den Häuptling.
Auch Bran hatte den Einbeinigen rufen hören, doch er lag warm und schläfrig unter seinen Fellen, und Tir war auf seinem Arm eingeschlafen. Er zog ihn vorsichtig unter ihr weg und gähnte, während er sich in der Kälte des Zeltes erhob. Ehe sie sich schlafen gelegt hatten, hatte er Asche und Sand auf die Glut gelegt.
Bran legte den Schafsfellumhang um seinen nackten Oberkörper und kroch in das gefrorene Gras draußen vor dem Zelt. Die Männer hatten bereits Feuer gemacht, und die Flammen leckten an dem kostbaren Treibholz empor. Turvi rief seinen Namen und grüßte ihn mit offenen Händen. Bran erwiderte seinen Gruß.
»Er ist müde wie ein Jäger nach vielen
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