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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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waren die Buden bloß als Schatten vor den Hauswänden zu erkennen. Es dauerte noch eine Weile, ehe die Zeit der Händler begann, und die Tirganer waren sparsam mit ihren Fackeln.
    »Hast du Linvi jemals teure Sachen geschenkt?« Er wandte sich an Hagdar.
    »Teure Sachen? Gold oder Edelsteine?« Hagdar fasste sich an den Bart und runzelte die Stirn. »Nicht dass ich wüsste. Was sollte sie damit?«
    »Tir hat heute einen Ring gesehen. Aber ich habe keine Goldmünzen wie die Tirganer.«
    Hagdar schnaubte. »Wir brauchen keine Münzen. Du kannst dich mit Münzen nicht wärmen. Und essen kannst du sie auch nicht.«
    »Dieser Ring war eine gute Arbeit.« Bran trat einen Schritt zurück, denn er mochte es nicht, dass Hagdar sich über die Bräuche der Tirganer lustig machte. »Er hatte einen Wellenrand, und sie hat gelächelt, als sie ihn anprobierte.«
    Hagdar fuhr sich durch seine struppigen Haare. »Du kannst ihn ja eintauschen. Gib dem Händler einen Pelz, dann bekommst du den Ring bestimmt.«
    Wieder schlug ihnen der Wind vom Meer entgegen. Bran drehte ihm den Rücken zu, und während die Böen um den Mast herumpfiffen, dachte er, dass er tun sollte, was Hagdar vorgeschlagen hatte. Er würde diesen Ring eintauschen und ihn ihr am nächsten Abend am Feuer geben. Sie würde sich freuen, und dann würde er mit ihr über die Reise sprechen. Er würde ihr berichten, dass viele seines Volkes abreisebereit waren. Er würde ihr von den Herbststürmen erzählen, und sie würde es verstehen, wenn er vorschlug, vielleicht doch bereits vor Neumond loszusegeln.
    »Es ist kalt«, brummte Hagdar. »Zeig mir das Innere des Schiffes, Häuptling. Ist es genauso eng wie Visikals Schiff?«
    Bran nahm eine Talgfackel von der Reling und öffnete die Luke beim Mastfuß. Dann kletterte er die kurze Treppe hinunter und verschwand unter Deck. Eine Körperlänge nach achtern hatte er eine Feuerstelle in dem Sandgraben eingerichtet, und während sich Hagdar an den Ruderbänken entlangtastete, nahm Bran das Stück Flintstein aus dem Säckchen, das am Balken hing. Er schlug die Funken in ein Häufchen Zunder und nährte das Feuer mit Splittern vom Treibholz, das an Deck getrocknet war, seit er es vor zwei Monden am Strand gefunden hatte. Als die Flammen am Holz emporloderten, legte er die Talgfackel in die Flammen und nahm sich das Feuer.
    »Hier hast du also deine Feuerstelle.« Hagdar hockte sich neben ihm hin und sah zwischen den Balken hindurch. »Es ist kalt hier unten. Und dunkel.«
    Bran hielt die Fackel hoch. Die Bänke tauchten an den Schiffsseiten wie graue Gespenster aus dem Dunkel auf, die von Blutskalles zahllosen Kriegszügen berichteten. Entlang des Sandgrabens standen die Bänke mit ihren Kerben und Nägeln wie zwei Reihen von Kriegern, die auf die Befehle ihres Skergs warteten. Die Ruder lagen quer auf den Ruderbänken und bewegten sich sachte auf und ab.
    »Hier ist Platz für viele Menschen.« Bran stand auf und ging zum Achterende. Er leuchtete zwischen Taurollen und Balken. Hagdar folgte ihm und nickte anerkennend, als Bran ihm erklärte, wie er das Harz mit dem Öl gemischt und damit die Spalten zwischen den Decksplanken abgedichtet hatte.
    »Du hast viel gelernt, seit wir zuletzt gemeinsam an Bord eines Schiffes gingen«, sagte Hagdar, als Bran auf die Schmiedebank zeigte, die er am Ende des Sandgrabens eingerichtet hatte. Hier, ganz hinten im Schiff, hatte er einen Blasebalg festgenagelt und einen Schmiedekessel im Sand eingegraben. Ein Amboss war an der Stelle verschnürt worden, wo sich der Kielbalken nach oben zum Achtersteven beugte.
    »Die können wir brauchen, um gebrochene Beschläge zu erneuern.« Bran winkte Hagdar hinter sich her und leuchtete zum Mast, der mittschiffs durch das Deck nach unten ragte. »Den hab ich erst nach ein paar Tagen bemerkt. Ich dachte, das wäre einer der Stützbalken. Aber der Mast ist sowohl am Rumpf als auch am Deck mit eisernen Beschlägen befestigt.«
    Hagdar befühlte den dicken Mastfuß. »Das war in Visikals Schiff anders, da stand der Mast an Deck.«
    »Die Tigam ist alt.« Bran ging zum Bugraum weiter. »Tarba sagt, dass sie die Schiffe früher anders gebaut hätten. Die Tigam ist die letzte, die noch immer auf See ist. Die letzte der großen.«
    Bran schlug den Vorhang zur Seite, der den Bugraum vom Rest des Schiffsraumes abtrennte. Hagdar trat über den Querbalken und spähte zu den Waffen und Pfeilköchern hinüber, die an Sehnen von der Schiffswand und der Decke

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