Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
herabhingen.
    »Die hingen hier schon, als ich das Schiff bekam.« Bran steckte die Fackel in einen eisernen Ring, der an dem Balken in der Mitte des Raumes befestigt war. Das Feuer erhellte einen abgenutzten, grob zusammengezimmerten Tisch und einen halb vollen Weinschlauch, der an einem Nagel an der Tischkante hing.
    »Morgen werde ich Turvi mit hierher nehmen.« Bran nahm einen Pfeilköcher von der Decke. »Dielan meinte, wir sollten diese Sachen über den Winter noch geheim halten. Turvi hatte genug andere Sorgen, als du krank warst.«
    Bran zog ein Pergament aus dem Pfeilköcher und rollte es auf dem Tisch aus. Hagdar beugte sich über die schwachen Striche und neigte den Kopf zur Seite.
    »Solche Sachen sind hier in allen Köchern. Ich glaube, das sind Karten.« Bran fuhr mit dem Zeigefinger an den Strichen entlang, die das Pergament auf drei Seiten umrahmten. Weder er noch Dielan hatte auch nur eine dieser Karten deuten können, obgleich sie viele Winterabende darüber gebrütet hatten, während sich der Schnee auf das Deck legte.
    »Das ist es.« Hagdar drehte es halb zu Bran hinüber. »Diese dicken Striche müssen das Meer sein. Dann muss all das andere, das es umgibt, Land sein. Abgesehen von hier, hier ist kein Ende des Meeres eingezeichnet.«
    »Alle Karten sehen so aus.« Bran ging zur Schiffsseite hinüber und holte einen der zahlreichen Köcher. »Sieh doch, diese Zeichen gibt es nur an drei Seiten der Karte.«
    »Die vier Himmelsrichtungen.« Hagdar strich das Pergament glatt. Auf diesem Pergament verliefen die Striche anders, doch auch hier endeten Meer und Land auf der zeichenlosen Seite im Nichts.
    »Lass Turvi das sehen.« Hagdar rollte die Karten zusammen und schob sie in den Pfeilköcher. Er hängte die Köcher wieder an ihren Platz und ging zurück in den Hauptraum des Schiffes.
     
    Es blies frisch, als sie durch die Luke nach oben kletterten. Die Wellen schlugen gegen die Mole und die Zweimaster schwankten an den Ankerketten. Der Wind drehte langsam nach Westen. Bran drehte die Fackel auf den Kopf und ließ sie von den Windböen ausblasen. Dann schlug er den Umhang um sich und folgte Hagdar über den Landgang.
    »Es ist ein großes Schiff«, sagte Hagdar, als sie über den Hafenplatz gingen. »Aber doch nur ein paar Mannslängen größer als die anderen. Und wenn ich mich recht erinnere, waren vier mal zehn Männer an Bord, als wir in den Krieg zogen.«
    »Es waren viele Männer«, erinnerte sich Bran. »Aber weniger, als wir zurückkamen.«
    »So war es.« Hagdar sah zu den Masten empor, die sich in den Nachthimmel reckten. »Aber hast du daran gedacht, dass wir mehr Menschen geworden sind, seit wir hier angekommen sind? Die meisten Witwen haben in Tirga neue Männer gefunden und diese Männer werden mit uns segeln, wenn die Skerge es ihnen erlauben. Ich habe fünfzehn Ruderbänke an jeder Schiffsseite gezählt. Sieben mal zehn zählt das Volk von Kragg in diesen Tagen, Häuptling. Wie willst du alle in deinem Langschiff unterbringen, wenn die Wellen über das Deck spülen?«
    Bran blieb bei einem Tau stehen und drehte sich halb zurück zum Schiff. Sieben mal zehn… er zählte sie an den Fingern ab und rechnete Frauen und Männer zusammen. Zwei mal zehn Männer waren es nach dem Kampf gegen die Vokker gewesen. Und etwa drei mal zehn Frauen. Wenn er Kriava mitzählte, die bald erwachsen war, waren es zwölf Kinder. Und die Tirganer, die die Witwen zur Frau genommen hatten, musste er auch mitzählen… Er fasste sich an die Stirn und kniff die Augen zusammen. Die Zahlen schwirrten wie wütende Bienen in seinem Kopf umher. Sie wollten sich nicht zusammenfügen. Aber sieben mal zehn waren viel mehr als vier mal zehn, das verstand er. Es würde eng werden unter Deck.
    »Wir müssen Platz schaffen.« Er fuhr sich über sein vernarbtes Ohr, während er das Langschiff betrachtete. »Die Tigam ist das einzige Schiff, das wir haben.«
    Die zwei blieben noch eine Weile am Kai stehen. Sie lauschten den Wellen, die gegen die Mole schlugen, und den Tauen, die an den Eisenbolzen knirschten. Dann legte Hagdar seine schwere Faust auf Brans Schulter, und so gingen sie weiter in Richtung ihres Lagers.
     
    Als Bran ins Zelt kroch, war er müde und erschöpft von all den Gedanken. Er zog sich gleich hinter der Zeltöffnung Hose und Stiefel aus und nahm an der Feuerstelle einen Schluck aus dem Wasserschlauch. Tir hatte sich auf den Rücken gedreht und nahm den ganzen Platz auf den Schlafpelzen ein. Er kroch zu

Weitere Kostenlose Bücher