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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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den Achtersteven, wo Orm stand, der kurz zuvor mit Hagdar um das Steuerruder gekämpft hatte. Jetzt hatte er mehr als genug damit zu tun, sich festzuhalten.
    »Wir brauchen zwei Mann an Deck!« Hagdar lag bäuchlings vor der Luke. »Ein Mann am Steuer! Einer im Ausguck am Mast! Orm taugt nicht dafür!«
    Bran krallte sich an den Decksplanken fest und zog sich zur Reling. Dort drehte er sich auf den Rücken und schob sich an den Eisenbeschlägen nach hinten, während es über ihm unermüdlich aus den Wolken brüllte und Blitzspeere rund ums Schiff ins Wasser schlugen. Regen und Gischt prasselten auf ihn nieder. Hagdar und Virga stemmten die Luke gegen den Wind zu.
    Als Bran das Achterdeck erreichte, kauerte Orm vor der Bordwand. Seine Hände umklammerten noch immer das Steuerruder, als weigerten sich die weißen Knöchel, es freizugeben. Bran packte ihn an der Schulter. Orm wurde von Krämpfen geschüttelt, und als Bran seinen Kopf anhob, bemerkte er, dass nur noch das Weiße seiner Augäpfel zu sehen war. Bran schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht, worauf er wieder zu sich kam.
    Im nächsten Augenblick wurde das Langschiff in ein Wellental gedrückt. Bran hielt sich am Steuerruder fest, als der Bug sich in die nächste Welle bohrte. Das Wasser schlug über den Steven. Als das Schiff gleich darauf hochgerissen wurde, erhob sich Bran und löste Orms verkrampfte Hände von der Ruderpinne.
    »An der Reling entlang!« Bran zerrte Orm zur Bordwand. »Du musst an der Reling entlang kriechen! Versuch, unter Deck zu kommen!«
    Orm stöhnte und tastete sich wie ein Blinder vorwärts. Bran half ihm, die Finger um einen Eisenbeschlag zu legen und trat ihm ins Kreuz. Der Krieg hatte ihn manches über die Angst gelehrt. Nur Schmerz konnte Orm aus der lähmenden Angst reißen. Und tatsächlich begann er jetzt, in Richtung Mast zu robben.
    Bran kniete hinter dem Steuerruder, während er seinen Gürtel löste. Die ganze Zeit schlugen Wellen und Gischt über ihm zusammen. Sein wollener Umhang hing nass und schwer von seinen Schultern. Das Schiff schlingerte über die Wellenkämme, ehe es in einen Abgrund aus Salzwasser stürzte. Der Rumpf zitterte, als der Bug erneut in die Wasserwand stieß, und Bran war sicher, dass der Sturm das Schiff zerschmettern würde. Er legte seine linke Hand um die Ruderpinne und band sie mit dem Gürtel fest. Nangor hatte ihm davon erzählt. Bei Sturm legte sich ein Langschiff quer zu den Wellen, und wenn der Steuermann den Kurs nicht korrigierte, kenterte es irgendwann. Bran lehnte sich zurück und stemmte die Stiefel links und rechts gegen die Bordwand. Als sich der Bug in die nächste Welle bohrte, stemmte er sich hoch und legte die Waffenhand auf das Steuerruder. Das Wasser schlug über ihm zusammen und riss ihm den Umhang vom Leib wie ein sprödes Leinentuch. Im nächsten Augenblick wurde das Langschiff auf einen Gischtkamm emporgehoben, und jetzt konnte Bran sehen, wie hoch die Wellen waren. Auf beiden Seiten des Schiffes stürzte das Meer in geifernde Abgründe. Die Windböen peitschten den Regen durch die Wellentäler und hinterließen weiße Schrammen auf dem Wasser. Dann kippte das Langschiff über den Wellenrand. Vor dem Bug öffnete sich eine bodenlose Dunkelheit, der Sturm packte das Schiff mit mächtigen Händen und schleuderte es hinunter. Bran zog das Steuerruder zu sich heran, doch das zeigte bei diesem Seegang keine Wirkung. Die Wogen erhoben sich bis über die Mastspitze, und das Meer brüllte ihm entgegen wie ein Heer wilder Götter. Und wieder pflügte der Rumpf durch eine wachsende Welle. Als das Meer sich das nächste Mal unter dem Rumpf aufbäumte, gelang es Bran, das Schiff ein paar Rumpfbreiten nach backbord zu drehen. Es kippte über den Wellenkamm, als direkt vor dem Bug ein Blitz die Luft über dem blutroten Meer zerschnitt. In dem Lichtschein steuerte er das Schiff auf etwas zu, das wie eine Senke zwischen zwei Wogen aussah. Er schrie gegen den Wind an, als das Schiff sich zwischen die schwarzen Mauern schob. Der Rumpf kreischte vor Anstrengung, ehe er weiter durchs Wasser schoss. Bran steuerte das Langschiff auf die nächste Welle, und wie zuvor fand die Tigam den Weg zwischen zwei Wellenriesen hindurch.
    Wenn das Schiff einen Wellenkamm erklommen hatte, hielt Bran nach Schlupflöchern in der See und zwischen den Wellen Ausschau, die sich nicht ganz so hoch auftürmten wie die anderen. Währenddessen dröhnte in den schwarzen Wolken ohne Unterlass der Donner, und

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