Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
Krieger des Häuptlings waren und dass der Gigant auf dem Thron der Häuptling selbst sein musste.
    Als dieser die Hand hob, traten kleinere Fischmenschen aus dem Schatten hinter dem Thron und reichten den Kriegern Kammmuscheln, die bis zum Rand mit einem rötlichen Gebräu gefüllt waren. Bran verzog die Nase, als er daran roch, denn es stank nach verfaultem Fisch. Doch der Häuptling kippte den Inhalt der Muschel in seinen breiten Mund und die Krieger folgten seinem Beispiel. Dann schüttelten sie sich und fauchten.
    »Wir sollten es wie sie machen.« Turvi kippte es hinunter, schnitt Grimassen und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Bran schloss die Augen, denn er wusste, dass das Gebräu wirklich schlimm sein musste, wenn es Turvi Überwindung kostete, es zu trinken. So kippte auch er es hinunter und versuchte, nichts zu schmecken. Der bittere Sud brannte in seinem Rachen.
    »Danke ihnen, Bran!« Turvi stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Sie sind wie wir, sicher freuen sie sich, wenn wir ihr Gebräu loben!«
    Bran öffnete die Augen und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Noch ein Fischmensch erschien am Thron, doch er sah nicht so aus wie die anderen. Er stützte sich an die Lehne des Throns, denn eines seiner Beine war verkrüppelt, als sei es einmal vor langer Zeit gebrochen und nie wieder richtig zusammengewachsen. Eine lange Narbe verunstaltete sein Gesicht und sein Rücken war gekrümmt wie der Rücken einer alten Frau. Der Häuptling wandte sich ihm zu und fauchte etwas an die Seite seines Kopfes. Bran glaubte, dass sich dort, irgendwo versteckt hinter den Schuppen, wie bei Eidechsen oder Fröschen, Ohren befinden mussten.
    Der Verkrüppelte sah Turvi mit seinen gelbbraunen Augen an und hinkte dann einen Schritt auf ihn zu. Da deutete der Häuptling auf Bran und der Verkrüppelte nickte. Bran hatte Mitleid mit der gebrochenen Gestalt. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte ihm geholfen, auf einer der Häute zwischen den Kriegern Platz zu nehmen, aber der Verkrüppelte hinkte zum Thron zurück und flüsterte dem Häuptling etwas zu, worauf dieser den Kopf senkte. Endlich wandte sich der Krüppel wieder an Bran und Turvi und streckte einen Arm über den Kopf, als er zu sprechen begann:
    »Männer… Landsleute dieser Welt…« Er sprach mit rauer, angestrengter Stimme, als sei seine Kehle nicht für solche Laute geschaffen.
    »Wir kennen euch. Eure Welt lebt in unseren Geschichten. In unseren…« Er legte einen langen, verkrümmten Finger an die Stirn.
    »Ich bin N’Gama«, sagte er und verzog dabei seine schuppige Stirn, als legte er sie nachdenklich in Falten. Auch dieser Fischmensch hatte eine Reihe von Zacken auf dem Rücken, doch als er sich wieder umdrehte, um dem Häuptling etwas zuzuflüstern, sah Bran, dass sich alte Narben über seinen Rücken zogen und die Zacken wie gemähtes Korn abgebrochen waren.
    »Ich…« Er blickte nach Westen über das Meer. »Ich erinnere mich.«
    Turvi vermochte nicht mehr still zu sitzen. »Ihr seid Kinlender, das Volk, das Manannan verwandelt hat! Nicht wahr?«
    Der Fischmensch blickte auf Turvi hinunter. Selbst er, der er müde und gebeugt wie ein verwundeter Krieger war, überragte sie, und auch wenn sie sich erhoben hätten, wäre der Verkrüppelte noch immer einen Kopf größer als Bran gewesen.
    »N’Gama ist… Skalde. Die alten Geschichten leben in ihm. Und er wird sie euch erzählen. Aber zuerst…« Er schleppte seinen Körper zurück und ließ sich auf eine Haut neben dem Thron sinken. Dann deutete er auf Turvi. Der Einbeinige verstand und kroch vor.
    Bran folgte ihm und half ihm auf, denn er wollte nicht, dass der alte Turvi wie ein Bettler vor dem Thron herumkroch. Und während Bran Turvi stützte, sprach der Einbeinige über ihre Reise aus der Felsenburg. Er erzählte von der Lawine und von Kraggs Warnung, über die Schlacht gegen die Vokker und die Flucht über das Meer. Er streckte seine Hand zur Sonne und weinte, als er sich an das erinnerte, was sie dereinst sahen: Kragg verdeckte die Sonne mit seinen Schwingen und flog über das Meer davon. Und später dann, im Lager an der Küste, gab er drei Männern Träume ein von dem Land, in dem der Himmelsvogel und eine neue Zeit auf das Felsenvolk warteten. Von diesen dreien war Bran der Stärkste. Febals ältester Sohn schwamm durch die Strömungen und wurde vom Meeresgott Berav begünstigt. So wurde er ihr Häuptling und führte sein Volk an, wie er es im Traum gesehen hatte: nach Süden

Weitere Kostenlose Bücher