Das Verheissene Land

über seinen breiten Rücken, und die Kinlender auf dem Schiffsrumpf über ihm wichen über Leitern und Wanten vor ihm zurück, als hätten sie Angst. Während sich Bran mit Turvi auf seinem Rücken vorwärts kämpfte, dachte er, dass der Große ein mächtiger Krieger sein musste, da ihm die anderen mit einem Respekt begegneten, den nur berüchtigte Krieger verdienten. Doch gegen wen sollten die Fischmenschen kämpfen?
    Turvi rang nach Luft und klammerte sich an Brans Hals, der sein Möglichstes tat, um nicht unter die Wasseroberfläche gedrückt zu werden. Der Einbeinige flüsterte ihm etwas von alten Legenden und Sagen zu, doch Bran verstand nicht viel davon, denn sein Kopf sank immer wieder unter Wasser. Als er endlich an der Stiege ankam, kletterte er, den Alten wie eine Jagdbeute über der Schulter, empor. Da lachte Turvi, denn er bemerkte, dass die Fischmenschen ihnen wie ein Schwanz gefolgt waren. Dicht an dicht drängten sie sich um die Stiege herum und streckten ihre Arme aus, um sie an Haaren und Bart zu berühren. Doch als sich der Große über die Reling beugte und mit der Faust auf die Schiffsplanken schlug, tauchten sie unter und verbargen sich zwischen den Tangarmen.
    Sie kamen auf ein Deck, auf dem abgenutzte Haihäute wie Pelze in den Gemächern der Reichen auf die Tische genagelt worden waren. Vorn und hinten waren hohe, mit Fischschädeln und Haikiefern geschmückte Türme auf dem lang gestreckten Deck errichtet worden und von einem Balken des Bugturms hing ein geschlachteter Aal herunter, der Bran eher an eine Seeschlange als an einen Aal denken ließ. Der Schwanz lag glänzend auf dem Deck und der Körper maß mindestens drei Speerlängen.
    Der Fischmensch schlug mit dem Speerschaft aufs Deck und deutete auf den Überbau unter dem Achterturm. Turvi hatte sich bereits dem Fischmenschen zugewandt, der unter dem Segeltuchdach saß, und jetzt bemerkte auch Bran den auf sie zuschwankenden Kinlender mit dem Umhang. Er war noch größer als der Krieger mit der Haizahnkette. Auf dem Kopf trug er einen eingetrockneten Haischädel und der Rest der Haihaut hing über seinen Rücken hinab. Brust, Beine und Arme waren mit langen Narben übersät. Er trug einen perlmuttglänzenden Gürtel, in dem ein Eisendolch steckte. Der Krieger mit der Haizahnkette kniete vor dem Riesen nieder und murmelte etwas, worauf dieser die Faust ballte und ihm merkwürdige Worte zuhustete. Er hatte eine tiefere Stimme als all die anderen, die Bran gehört hatte, wenn das gurgelnde Knurren denn als Stimme bezeichnet werden konnte. Der Krieger streckte noch immer mit gesenktem Blick seinen Arm zu Turvi und Bran aus. Die schwarzen Spalten in den Augen des Riesen wurden schmal.
    Bran fasste an seinen Gürtel. Er hatte noch immer sein Jagdmesser, doch er wusste, dass er einen Kampf nicht überleben würde. Als der Fischmensch zu ihm schwankte, wichen Bran und Turvi an die Reling zurück. Der Riese in dem Umhang zeigte ihnen seine offenen Handflächen, ehe er sich nach vorn beugte und fauchte.
    »Kinlender.« Turvi streckte dem Riesen seine Arme entgegen, und als Bran den Einbeinigen wegziehen wollte, ergriff der Fischmensch Turvis Handgelenk. Er beugte sich hinunter und fuhr mit Turvis zitternden Fingern über seine schartige, silberglänzende Stirn.
    »Ja«, flüsterte Turvi. »Ich kenne Manannans Werk. Er war nie der Gott meines Volkes, doch wir wissen von seiner Macht. Wir haben von eurer Geschichte, von eurem Schicksal gehört.«
    »Kin… Kinmar a Manannan.« Der Fischmensch erhob sich und stand wie eine Wand aus glitzernden Fischschuppen vor Turvi. Er legte die Faust auf seine Brust, ehe er sich umwandte und wieder unter das Segeltuch zurückging. Die Fischmenschen, die dort gewartet hatten, traten auf das Deck vor und führten Bran und Turvi in den Schatten. Hinten im Halbdunkel stand ein Thron, der aus weißen Knochen erbaut worden war. Der Krieger mit der Haizahnkette setzte sich mit verschränkten Beinen neben den Thron und der Riese lehnte seinen breiten Körper gegen einen Stuhlrücken aus Flossenstrahlen. Die Armlehnen waren mit Haikiefern befestigt und über dem Kopf des Riesen hingen weitere Haihäute von getrockneten Flossen herab. Bald ließen sich auch die anderen Fischmenschen um Turvi und Bran herum mit verschränkten Beinen nieder. Ihre langen Schwänze lagen wie Wolfslunten in ihrem Schoß. Es waren allesamt mächtige Gestalten, breit und groß wie der Krieger mit der Haizahnkette. Bran erkannte, dass das die